Nachlese zur Auktion vom 25.März: Toplos der Auktion, Skulpturen, Glas, Hinterglaskunst

Silber, Porzellan, Asiatika und Skulpturen standen im Blickpunkt der diesjährigen Frühjahrsauktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen. Rund 600 Kunstinteressierte waren bei der alle gängigen Kategorien umspannenden Versteigerung im Saal zugegen oder per Telefon und im Internet zugeschaltet. Objekte mit bemerkenswerten Preisen waren in nahezu allen Kategorien zu verzeichnen. Zum Spitzenlos entwickelte sich ein geschnitzter, in Weiß und Gold gefasster Heiliger Augustinus aus dem 18. Jahrhundert (s.u.) Besonders intensiv umkämpft war das kunsthistorisch wohl bedeutendste Stück der Auktion: Ein Hinterglasbild, das mit äußerst großer Wahrscheinlichkeit im Almanach „Der Blaue Reiter“ abgebildet war.

Hinterglas: Eine kunsthistorische Sensation

Die im 19. Jahrhundert in Raimundsreut als Rußbild entstandene, heute restaurierte „Pietà“ gleicht bis auf ein winziges Detail in der Mundpartie Mariens und den fehlenden Faltenwurf des Mantels exakt einer Abbildung in der bahnbrechenden Publikation, deren Vorlage über viele Jahrzehnte als verschollen galt.

Hinterglas Auktion Scheublein München Blauer Reiter

Rußbild “Pietà” (Maria Taferl), Raimundsreut, 19. Jhr., abgebildet im Almanach “Der Blaue Reiter”. Ergebnis: 5.300 Euro*

Franz Marc, August Macke, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky hatten sie als eine von wenigen Volkskunstarbeiten für eine ganzseitige Abbildung ausgewählt, und zwar an überaus prominenter Stelle: In der Bebilderung von Arnold Schönbergs Aufsatz „Das Verhältnis zum Text“ leitet es eine der aufsehenerregendsten Bildfolgen des gesamten Almanachs ein: Auf die „Pietà“ folgen Robert Delaunays „Tour Eiffel“ und El Grecos „St. Johannes“.
Der Bedeutung dieses mit 800 Euro angesetzten Hinterglasbilds entsprechend entbrannte ein intensives Bietergefecht, an dem sich Interessenten im Saal, am Telefon und im Internet beteiligten. Den Zuschlag bekam schließlich ein privater Sammler im europäischen Ausland, der erzielte Preis lag bei 5.300 Euro*

Skulpturen: Barocke Eleganz

Zum Spitzenlos der Frühjahrsauktion avancierte ein Objekt aus dem Bereich Skulpturen: Ein geschnitzter, weiß und gold gefasster Heiliger Augustinus aus dem 18. Jahrhundert.

Hl. Augustinus Auktion München Scheublein

Halbfigur des Heiligen Augustinus, Süddeutschland, 18. Jh. Holz, geschnitzt und gefasst. Ergebnis 20.300 Euro*.

Die in Süddeutschland entstandene Halbfigur zeigt den Kirchenvater, der von 354 bis 430 in Nordafrika lebte, als Bischof mit einem seiner typischsten Attribute, einem flammenden Herzen als Symbol göttlicher Liebe. Die Plastik ging für 20.300 Euro* in den musealen Bereich.

Putten Auktion MÜnchen Scheublein

Zwei geflügelte Putten mit Totenkopf bzw. Sanduhr. Ergebnis 3.800 Euro*.

Den gleichen Weg nahmen auch zwei geflügelte Putten, die in der Tradition der „Memento Mori“-Darstellungen einen
Totenkopf und eine Sanduhr tragen. Sie erzielten 3.800 Euro*.

Glas: Floraler Jugendstil

Besonders im Blickpunkt beim Glas stand die um 1910/15 entstandene Vase „Libellen und gelbe Blumen“ aus der zur École de Nancy gehörenden Manufaktur Daum.

Daum Jugendstilglas Auktion MÜnchen Scheublein

Vase “Libellen und gelbe Blumen”, Daum, Nancy, um 1910/1915. Ergebnis 4.000 Euro*

Das Objekt ist ein eindrückliches Beispiel für die Zusammenarbeit der Gebrüder Daum mit dem Keramiker und Glaskünstler Amalric Walter (1870 – 1959). Walter experimentierte mit Glas- und Emailpasten und entwickelte in Zusammenarbeit mit der in Nancy ansässigen Glashütte über hundert Modelle, bei denen auf die Glaskörper plastische Elemente aufgelegt wurden. Die vorliegende Vase zeigt den aus dem Verfahren resultierenden, zwischen zwei- und dreidimensionalem Dekor changierenden Effekt besonders deutlich. Für 4.000 Euro* ging das Stück an einen privaten Sammler.

* alle Preisangaben inkl. 27 % Aufgeld.

Im Blickpunkt der März-Auktion: Ein Hinterglasbild aus dem Almanach “Der Blaue Reiter”

Hinter einem kleinen, auf den ersten Blick fast unscheinbar wirkenden Rußbild „Pietà“ (Maria Taferl) aus dem Angebot der Frühjahrsauktion verbirgt sich ein kunstgeschichtliches Schwergewicht: Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um eine jener Volkskunstarbeiten, die Franz Marc, August Macke, Gabriele Münter und Wassily Kandinsky für ihren Almanach “Der Blaue Reiter” auswählten, der die Kunstrezeption des 20. Jahrhunderts profund veränderte.

Faszinierende Volkskunst

Bis auf ein winziges Detail in der Mundpartie Mariens und den fehlenden Faltenwurf des Mantels gleicht das Hinterglasbild exakt der Abbildung der bahnbrechenden, 1912 in vier Ausgaben erschienenen Publikation. Da das vorliegende Bild restauriert wurde, ist mehr als plausibel, dass es sich dabei tatsächlich um die über viele Jahrzehnte verschollen geglaubte Volkskunst-Arbeit handelt, die die vier Künstler bei der Zusammenstellung des Bebilderungsprogramms für den Almanach nachdrücklich faszinierte.

Prominenteste Hinterglasarbeit im Almanach

Denn sie ist unter den insgesamt elf volkstümlichen Spiegel- und Hinterglasbildern, die Eingang in die finale Auswahl fanden, nicht nur eines der lediglich drei Bilder, denen eine ganze Buchseite gewidmet ist. Auch ihre Position innerhalb des Almanachs ist mehr als prominent: Platziert im Aufsatz „Das Verhältnis zum Text“ von Arnold Schönberg gegenüber einer auf einer halb mit Text gefüllten Seite mit der Abbildung einer Schnitzerei von den Marquesas-Inseln aus dem Ethnographischen Museum in München leitet das Rußbild jene Sequenz ein, die die „Blaue Reiter“-Spezialistin Annegret Hoberg als „spektakulärste aller ohnehin frappierenden Gegenüberstellungen“ von Kunstwerken in dem gesamten Almanach bezeichnet: das Nebeneinander von Robert Delaunays „Tour Eiffel“ und El Grecos „St. Johannes“.

Kraftvoller optischer Dreiklang

Betrachtet man den Eindruck, den das Blättern durch die Folge aller drei ganzseitigen Abbildungen erzeugt, so entsteht ein überaus kraftvoller Dreiklang, der eine Essenz dessen bildet, was die Künstler mit der Bebilderung des Almanachs eindringlich darlegen wollten: „Die Auswahl der gezeigten Bilder folgt dem Leitgedanken, dass Formfragen für die eigentliche künstlerische Qualität eines Kunstwerks äußerlich sind“, schreibt Hoberg im Begleitband zur 2009 erschienenen Reedition der „Museumsauflage“ des Almanachs. „Dieser Pluralismus, die Variationsbreite der Form, etwa von naiv-gegenständlich wie bei Kinderzeichnungen oder populären Hinterglasbildern bis hin zu fast gänzlich abstrakt wie bei Kandinskys ,Komposition V‘ zeichnet auch die Offenheit der Redakteure (Marc und Kandinsky) gegenüber den akuellsten Produktionen ihrer Kollegen aus, die sie in den Almanach einbezogen.“

Teil einer Revolution

Zur Gesamtwirkung dieses Bildkanons resümiert Hoberg: „Kein gemeinsamer Formenkanon, sondern das geistige Prinzip, oder die ,mystisch-innerliche Konstruktion‘ bildet im Kunstwerk das verbindende Moment, das den Almanach mit seinem komplizierten Geflecht von Texten und Bildern vielstimmig durchziehen soll. Durch diesen offenen Stilbegriff, der – oft unter Berufung auf ,primitive‘ Kunst – nur ,das Echte‘ und ,innerlich Notwendige‘ gelten lassen will, werden sämtliche traditionelle Formgesetze auf noch radikalere, weil grundsätzlichere Weise als von den bisherigen Avantgarden über Bord geworfen.“ Das vorliegende, auf 800 Euro taxierte Hinterglasbild fungiert als wichtiger Teil dieser Schrift gewordenen künstlerischen Revolution.