Highlights der 47. Kunstauktion: Mörser aus Bronze
Eine neun Positionen umfassende Sammlung von Bronzemörsern steht in der Auktion am 29.11. nicht nur im Blickpunkt beim Kunsthandwerk, sie spannt auch den Bogen vom 15. Jahrhundert bis in den Historismus.
Der Mörser: Ein Unsterblicher und seine Geschichte
“Der Mörser ist der einzig Unsterbliche in den Laboratorien, Apotheken, in den Alchimistenstuben, in Werkstätten und Küchen”, schreibt der Kunsthistoriker Alfred Ritter Walcher von Molthein über eines der ältesten Küchen- und medizinischen Geräte der Menschheit.
Holz, Stein und Eisen
Tatsächlich ist das ursprünglich aus hartem Holz oder Stein gefertigte Gefäß zum Zerstoßen und Zerreiben von Pflanzen und Mineralien seit der Jungsteinzeit ununterbrochen im Einsatz. Die vorliegende Sammlung umfasst ausschließlich Mörser aus Bronze, wie sie in Europa seit dem späten Mittelalter hergestellt wurden.
Glocken, Mörser und Kanonen
Meist kamen sie aus Gießereien, die aus schweren Metallen auch Glocken und Kanonen fertigten. Kein reiner Zufall: Als Gerät waren Mörser unmittelbar mit dem Aufkommen der ersten Feuerwaffen im 14. Jahrhundert verbunden – man benötigte sie für das Zerreiben der Zutaten von Schwarzpulver. Und sie waren, obwohl ausschließlich mit der Hand benutzt, durch das Stösseln ähnlich extremen Belastungen ausgesetzt wie Glocken oder Kanonenrohre.
Muster als Schutz
Nicht selten bekamen die Bronzekörper im unteren Bereich Risse. Eine Ausstattung mit Längsrippen, beispielsweise bei zwei süddeutschen Mörsern, hatte deshalb nicht nur dekorative Funktion, sondern trug auch zur Stabilität des Gefäßes bei.
Auch das bis ins 18. Jahrhundert verbreitete Dekor mit Querrippen, die den unteren Teil des Mörser umlaufen, diente der Verstärkung dieses besonders beanspruchten Bereichs.

Großer Mörser, wohl Nürnberg, 18. Jh., Bronze mit geschnittenem floralem Ornamentdekor. Schätzpreis 2.500 Euro.
Weiterentwicklung in Form und Technik

Mörser mit Akanthusbordüren, Italien oder Süddeutschland, 16./17. Jh. Bronze. Schätzpreis 1.000 Euro.
Weitere Mörser, beispielsweise ein Exemplar mit Akanthus-Dekor wohl aus dem 16./17. Jahrhundert zeugen von der enormen Weiterentwicklung der höchst komplexen Bronzeguss-Technik an der Schwelle zur Renaissance.
Die elf Positionen umfassende Sammlung zeigt die große formale und technische Spannweite in er Entwicklung dieses Gerätes von der späten Gotik bis zum Historismus auf.
Nachlese zur Auktion vom 25.10.: Silber, Asiatika und eine venezianische Nacht
Unter intensiver Beteiligung von Bietern im Saal und im Internet verlief am 25. Oktober die Fundgrube-Auktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen. Besonders großes Interesse rief dabei das Angebot an Silber, Schmuck, Glas und Porzellan hervor, die nahezu vollständig verkauft wurden. Viele Spitzenlose waren beim Kunsthandwerk und den Gemälden des 19. Jahrhunderts zu finden; gleich eine ganze Reihe an Top-Zuschlägen konnte die Kategorie Asiatika verzeichnen.
Toplos: Eine Holzstele mit Buddha und Fabelwesen
Hier wurde auch der insgesamt höchste Preis dieser Auktion erzielt: Eine große, geschnitzte Holzstele mit roter und goldfarbener Fassung, die einen Buddha, umgeben von Drachen und Fabelwesen zeigt, konnte ihren Schätzpreis verzehnfachen. Sie kletterte bis auf 6.300 Euro*, bevor der Hammer fiel.
Ebenfalls gefragt: Rotlack-Schnitzerei und Keramik
Eine chinesische Rotlackvase in Doppelkürbisform wurde für 4.800 Euro* zugeschlagen.
Das aufwendig gearbeitete Objekt ist ein eindrucksvolles Beispiel für die berühmten, höchst kunstvoll gearbeiteten Schnitzlackarbeiten aus dem Reich der Mitte: Auf einen Trägerkörper werden unzählige Lacklagen aufgetragen, die in der Summe eine Tiefe von mehr als einem Zentimeter erreichen können. In diese Lackschichten werden dann mehrere Millimeter tiefe Muster und Figuren eingeschnitten, die sich zu einem reliefartigen Bild vereinen. Diese Technik verlangt von dem ausführenden Kunsthandwerker ungeheure Präzision, da Korrekturen praktisch unmöglich sind und ein einziges Abgleiten des Messers ein komplettes Werkstück verderben kann.
Ein drittes Toplos der Kategorie Asiatika war eine große Deckelvase aus bemalter Keramik mit einem Fo-Hund als
Deckelknauf. Sie wurde für 1.500 Euro* verkauft.
Erleuchtung beim Kunsthandwerk
Im Blickpunkt beim Kunsthandwerk stand ein geschnitzter Elfenbein-Kerzenschirm, der seinen Schätzpreis mehr als verdoppeln konnte und fast 1.900 Euro* erlöste. Solche Diaphanien mit figürlichen Reliefdarstellungen, die vor Kerzen gestellt wurden und dann ein vielschichtiges, leuchtendes Bild preisgaben, wurden im Lauf des 19. Jahrhunderts sehr populär, nachdem bereits im späten 18. Jahrhundert erste Lichtschirme aus Porzellan gefertigt worden waren. Im Unterschied zu diesen waren Diaphanien aus anderen lichtdurchlässigen Materialien – wie etwa, beim vorliegenden Objekt, Elfenbein – erheblich plastischer ausgearbeitet und erfüllten nicht nur in hinterleuchtetem Zustand, sondern auch bei Tageslicht dekorative Zwecke.

Kerzenschirm, 19. Jh. Elfenbein, geschnitzt. Ergebnis 1.890 Euro*. Das Objekt kam in der Auktion am 25.10.19 bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen München zur Versteigerung.
Auch die als Motiv gewählte Schutzengel-Darstellung ist für derartige Kerzenschirme typisch: Sie zeigten meist fast naive, religiös inspirierte Szenen, wie sie der Geisteshaltung der Biedermeierzeit entsprachen. Das vorliegende Objekt ging in den europäischen Kunsthandel.
Eine Nacht in Venedig
Den besten Preis bei den Gemälden
erzielte eine nächtliche Venedig-Ansicht von Conrad Hoff (1816 – 1883).

Conrad Hoff (1816 – 1883), Nacht in Venedig. Ergebnis: 3.500 Euro*. Das Objekt kam in der Auktion am 25.10.19 bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen München zur Versteigerung.
Dem gebürtigen Schweriner fehlten in jungen Jahren die finanziellen Mittel, um seine Ausbildung an der Kunstakademie in Dresden abzuschließen; deshalb verdingte sich Hoff als Illustrator für Buchverlage und bei verschiedenen Auftragsarbeiten, unter anderem in Wien. Von dort aus unternahm er eine ausgedehnte Studienreise nach Venedig. Die dort entstandenen Skizzen bildeten später die Basis diverser Venedig-Ansichten, gerne in nächtlicher Stimmung, wie beim vorliegenden Bild. Es wurde für 3.500 Euro* zugeschlagen.
Highlights der Fundgrube-Auktion am 25. Oktober: Licht und Landschaft
Ein reiches Angebot an Silber, Porzellan, Möbeln und Graphik flankiert die 113 Positionen mit Gemälden des 19. und 20. Jahrhunderts, die im Zentrum der Fundgrube-Auktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen am 25. Oktober stehen. Wie stets bietet die „kleine“ Auktion des am Münchner Goetheplatz ansässigen Hauses in allen Kategorien Trouvaillen auch für den kleinen Geldbeutel, die darauf warten, entdeckt zu werden. Besonders interessante Objekte sind diesmal bei den Asiatika und beim Kunsthandwerk zu finden.
Schöner Schein
Hier steht ein geschnitzter Elfenbein- Kerzenschirm aus dem 19. Jahrhundert (Schätzpreis 800 Euro) besonders im Blickpunkt. Derartige Objekte kamen im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert auf und waren zunächst vor allem aus Porzellan gefertigt – wenn es gelingt, den Scherben sehr, sehr dünn zu halten, hat er transluzide Qualitäten. Ergänzend zu diesen sogenannten Lithophanien aus Biskuitporzellan kamen im Lauf des 19. Jahrhunderts auch Diaphanien aus anderen lichtdurchlässigen Materialien wie Elfenbein auf. Sie wurden meist erheblich plastischer ausgearbeitet als ihre Pendants aus Porzellan und erfüllten so nicht nur in hinterleuchtetem Zustand, sondern zu jeder Tageszeit dekorative Zwecke und gaben ihr Bild preis.

Lichtschirm, 19. Jahrhundert. Elfenbein, geschnitzt (Detail). Das Reliefdekor zeigt einen Schutzengel, der, mit einem kleinen Kind auf den Armen, über einem Dorf schwebt. Schätzpreis 800 Euro.
Die gewählten Bildmotive entstammen meist der Geisteshaltung der Biedermeierzeit und zeigen häufig fast naive, religiös inspirierte Szenen wie die minutiöse Schutzengel-Darstellung auf dem Kerzenschirm, der bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen angeboten wird. Das Flackern der die Diaphanie hinterleuchtenden Kerze verlieh dem Bild eine besondere Lebendigkeit. Aus heutiger Sicht hat ein solches Objekt nicht nur wegen seiner kunsthandwerklichen Qualität seinen Reiz. Es führt uns auch ein Stück weit zurück in eine Zeit, in der es weder Elektrizität noch Gasbeleuchtung gab und künstliches Licht für die meisten Menschen einen unermesslichen Luxus bedeutete, den es zu präsentieren und zu „bekleiden“ galt.
Schöne Frauen, Kabuki und der Weg nach Kyoto
Bei den Asiatika liegt ein besonderes Augenmerk auf fünf Positionen mit klassischen japanischen Farbholzschnitten der späten Edo- und frühen Meiji-Zeit. Die bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen vorliegende Auswahl enthält unter anderem Drucke von allen drei zentralen Künstlern, die das Erscheinungsbild dieser graphischen Kunstform im 19. Jahrhundert besonders prägten: Utagawa Kunisada (1786 – 1865), Utagawa Kuniyoshi (1798 – 1861) und
Utagawa Hiroshige (1797 – 1858).

Utagawa Kunisada (1786 – 1865), vier Farbholzschnitte mit Motiven aus den „53 Stationen des Tokaido“ (links) und Darstellungen von zwei Kabuki-Künstlern (rechts). Schätzpreis 400 Euro.
Die Positionen umfassen auch die gebräuchlichsten Motive des Genres: Die vier Holzschnitte von Kunisada zeigen zwei Kabuki-Künstler und zwei der „53 Stationen des Tokaido“, der vielfach wiedergegebenen Raststationen auf dem Weg von Edo (= Tokio) in die alte Kaiserstadt Kyoto (Schätzpreis
400 Euro).

Drei japanische Farbholzschnitte, u.a. von Utagawa Kuniyoshi (1797 – 1858). Schätzpreis 300 Euro.
Die Holzschnitte kommen in der Auktion am 25. Oktober bei Scheublein Art & Auktionen München zur Versteigerung.
Eine weitere Position mit vier wohl aus der Hand von Kunisada stammenden Drucken enthält unter anderem ein Blatt des Triptychons „Ueno no bosets“ – „Schneefall im Zwielicht bei Ueno“. Zwei weitere Positionen, auf 300 und 240 Euro taxiert, enthalten unter anderem sogenannte „Bijn“-Drucke mit Darstellungen schöner Frauen.

Farbholzschnitt „Goyu Honno-ga-hara“, Japan, 1855, von Utagawa Hiroshige (1797 – 1858). Schätzpreis 80 Euro.
Die einzige Landschaftsdarstellung in der Auswahl bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen wird als Einzelposition angeboten und stammt von jenem Künstler, der nicht nur in seiner japanischen Heimat dieser Darstellungsform mit völlig neuartigen Kompositionen revolutionierte, sondern dessen Werk auch von zahlreichen europäischen Künstlern adaptiert wurde, angefangen bei den Impressionisten, aufgehört bei Vincent van Gogh, der Hiroshige in einigen Gemälden deutlich wiedererkennbar zitiert. Sein in der Fundgrube-Auktion enthaltener Holzschnitt ist ebenfalls den „53 Stationen des Tokaido“ zuzuordnen und zeigt die Honno-gahara-Ebene am Fuß des Honzaka-Passes. Der Druck wird zum Schätzpreis von 80 Euro aufgerufen.
Ergebnisse 46. Kunstauktion: Altmeister, Skulptur und Graphik der Moderne
Eine Sammlung mit hochkarätigem Augsburger Silber aus dem späten 17. und frühen 18. Jahrhundert, Graphik der klassischen Moderne und Hinterglasbilder aus der Staffelseeregion von herausragender Qualität standen im Zentrum der 46. Kunstauktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen. Fast 500 Bietern aus dem In- und Ausland beteiligten sich am 20. September im Saal, per Telefon und im Internet an der fast 600 Lose umfassenden Versteigerung. Besonders hoch kletterten ein nach dem Vorbild einer Ikone gestaltetes, altmeisterliches Gemälde sowie ein klassizistisches Marmorrelief, das Amor und Psyche zeigt.
Das Spitzenlos: Eine ikonenhafte Madonna
Zum Spitzenlos der Auktion entwickelte sich eine Mariendarstellung des 16./17. Jahrhunderts, entstanden wohl im italo-
dalmatischen Raum. Es zeigt die Gottesmutter mit Kind in typisch ikonenhafter Darstellung: Die auf teilweise punzierten Goldgrund gemalte Madonna mit dem dunkelblauen, goldgeränderten Schleier (Maphorion) und den drei ihre Jungfräulichkeit symbolisierenden Goldpunkten auf Kopf und Schultern hält das wie ein Erwachsener gekleidete und körperlich ausgebildete Christuskind auf dem rechten Arm; beide sind halb frontal dargestellt, halb einander zugewandt.

Madonna mit Kind, wohl Italo-Dalmatisch, 16./17. Jh., Öl (?)/ Holz, tlw. punzierter Goldgrund. Ergebnis: 21.400 Euro*
Damit ist das Gemälde eine Mischform aus einer Variante des wohl berühmtesten Ikonentypus, der „Hodegetria“, bei der die Gottesmutter ihren Sohn dem Betrachter als Weltherrscher und Erlöser präsentiert, und der „Eleousa“, bei der Mutter und Kind in inniger Verbundenheit dargestellt sind. Über Jahrhunderte hinweg prägten diese Ikonenformen nicht nur die byzantinische Kunst, sondern auch die Mariendarstellungen des westlichen Mittelmeerraums – eindrucksvoll nachzuvollziehen in den Florentiner Uffizien, wo an drei Madonnen von Cimabue, Duccio di Buoninsegna und Giotto die Übernahme dieser Vorbilder durch die italienische Kunst des Mittelalters unmittelbar sichtbar wird. Erst mit Aufkommen der Renaissance traten diese ikonographischen Chiffren hinter neue, freier gestaltete Marienbilder zurück. Das auf das 16./17. Jahrhundert zurückgehende Gemälde aus dem Angebot von SCHEUBLEIN Art & Auktionen ist der Ikonen-Tradition dagegen noch vollkommen verhaftet. Er kletterte bis auf 21.400 Euro* und ging in den internationalen Kunsthandel.
Skulpturen: Ewige Liebe
Ein klassizistisches Marmorrelief aus dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts greift ein beliebtes Sujet der Goethezeit auf: die Liebesgeschichte von Amor und Psyche. Das in großen Teilen äußerst minutiös gearbeitete Relief zeigt den Moment, in dem die von Windgott Zephyr zu einem ihr unbekannten Geliebten entführte Psyche dessen wahre Identität erkundet. Sie schleicht sich mit einer Öllampe zu dem schlafenden Amor. Entzückt von seiner Schönheit und bestärkt in ihrer Liebe tritt sie näher heran, um den Geliebten zu betrachten, wobei sie ihn mit Tropfen des heißen Öls aus der Lampe unabsichtlich verbrennt.
Dass sie ihm in der vorliegenden Darstellung auch einen Pfeil entwendet, symbolisiert, dass auch Amor in ewiger Liebe zu ihr entflammt ist. Das Relief kletterte bis auf 15.000 Euro* und ging in den Kunsthandel.
Graphik: Top-Preise für Picasso und Braque
Zwei Giganten der klassischen Moderne bestimmten das Bild bei der Graphik: George Braque (1882 – 1963) und Pablo Picasso (1881 – 1973). Braques über das Verhältnis von Fläche, Form und Struktur reflektierende, späte Farbradierung „Trois oiseaux en Vol (1961)“ wurde nach einem intensiven Bietergefecht für 5.900 Euro* zugeschlagen und ging an einen privaten Sammler.
Mit seinem Meisterdrucker Piero Crommelynck (1934 – 2001) sind die beiden Picasso-Blätter verbunden, die ebenfalls ausgezeichnete Ergebnisse erzielten. Ein radiertes Porträt des Druckexperten, der gemeinsam mit seinem Bruder seine Werkstatt extra in die Nähe von Picassos Villa in Mougins verlegte, um möglichst eng mit dem Kunstgenie zusammen arbeiten zu können, erzielte 3.400 Euro*; die in Aquatinta und Kaltnadel ausgeführte Szene „Dans l‘atelier“, die in Crommelyncks Werkstatt ausgeführt wurde, stieg bis auf 5.800 Euro*. Beide Picasso-Graphiken gingen in den Kunsthandel.
Highlights 46. Kunstauktion: Graphik der Klassischen Moderne
Ein Augenmerk der 46. Kunstauktion ruht erneut auf Graphik der klassischen Moderne – von Picasso und Braque, Nolde und Dix, Chagall und Gauguin (oben : La femme aux figues, Schätzpreis 3.000 Euro).
Das Toplos: Emil Noldes “Die Heiligen Drei Könige”

Emil Nolde: Die Heiligen Drei Könige. Lithographie in Schwarz, Gelb und Hellgrau. Schätzpreis 8.000 Euro.
Das Toplos in dieser Kategorie stammt von Emil Nolde (1867 – 1956): Dessen Lithographie „Die Heiligen Drei Könige“, angeboten zu einem Schätzpreis von 8.000 Euro, wurde als Jahresdruck des Kölner Sonderbunds im Jahr 1913 erstmals aufgelegt. In den Jahren zuvor hatten Gemälde mit religiösen Motiven aus der Hand Noldes bereits für handfeste Diskussionen gesorgt: Sein tief expressionistisches „Pfingsten“, das er 1910 bei der Berliner Secession eingereicht hatte, wurde vor allem von Secessionspräsident Max Liebermann brüsk abgelehnt. Und sein Zyklus zum Leben Christi von 1912, vom Bankier und Nolde-Förderer Karl Ernst Osthaus 1912 auf der Weltausstellung in Brüssel gezeigt, löste bei Katholiken wie Protestanten einen Skandal aus, weil sie die Art und Weise, wie Nolde die zwölf Apostel dargestellt hatte, als unpassend empfanden. Osthaus, Begründer des Folkwang-Museums und Mitglied des Kölner Sonderbunds, hielt seinem Protegé die Treue und verschaffte ihm den Auftrag des Jahresdrucks von 1913, der in einer Auflage von 300 Exemplaren herausgegeben wurde. Nach Fertigstellung des Drucks, der von dem Gelb der Strahlen des Sterns von Bethlehem geprägt wird – ihm entspricht auch das bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen vorliegende Blatt –, revidierte Nolde die Farbgebung der Lithographie und brachte 1913 sowie 1925 / 26 zwei anders kolorierte Fassungen heraus.
Im Blickpunkt: Kinderbildnisse von Otto Dix
Für den Maler Otto Dix (1891 – 1969) zeitlebens ein wichtiges Bildmotiv: Gegenpole zu seiner Auseinandersetzung mit Krieg, Tod und dem menschenverachtenden Treiben in den Großstädten der Zwanziger Jahre, später, in Zeiten der inneren Emigration während der NS-Diktatur, geistiger Trost und Rückzugsort.
Darüber hinaus sah Dix in Kindern, die er häufig auch im Kontrast zu Erwachsenen, gar alten Menschen zeigt, immer auch einen Ausdruck der unbezwingbaren Kraft des Lebens, das auch in Anbetracht von Tod, Brutalität und Gewalt seinen Weg findet, weitergeht und immer neu beginnt.
In den letzten 15 Jahren seines Schaffens, als er sich längst von der altmeisterlichen Lasurmalweise des Hauptwerks einer kraftvollen Alla Prima-Malerei zugewandt hat, besonders auch nach dem tragischen Tod seiner Tochter Nelly im Frühjahr 1955 , rückten Kinder verstärkt in den Fokus von Gemälden wie auch von graphischen Arbeiten wie dem „Mädchen mit Katze“ von 1956. Die Farblithographie wird bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen in der Herbstauktion am 20. September zum Schätzpreis von 4.000 Euro aufgerufen.
„Auch aus den folgenden Jahren sind weitere charakteristische Beispiele für die Intensität bekannt, mit der Otto Dix Kinder zu deuten verstand“, schreibt ein Dresdner Freund des seit den dreißiger Jahren am Bodensee lebenden Malers, der Kunsthistoriker Fritz Löffler. In einem Bändchen mit später Graphik, das neben dem „Mädchen mit Katze“ auch eine Version des „Hafenarbeiters mit Kind“ enthält, die bei SCHEUBLEIN ebenfalls zum Schätzpreis von 4.000 Euro angeboten wird, analysiert Löffler derartige Doppeldarstellungen von Kindern mit alten, aber auch mit müden, abgearbeiteten Menschen „noch einmal als Konfrontation von Jugend mit Verfall und Tod, die Dix, gleich dem von ihm verehrten altdeutschen Meister Hans Baldung Grien, so oft beschäftigt hat.“
Flächen und Formen: Georges Braque
„Vergessen wir die Dinge, betrachten wir nur die Beziehungen“, schreibt Georges Braque (1882 – 1963). Gerade für seine späteren Graphiken wie die vorliegende Farbradierung „Trois oiseaux en vol“ von 1961 bekommt diese Forderung eine ganz besondere Bedeutung: Stand in den kubistischen Graphiken noch die Linie als zentrales gestalterisches Element im Vordergrund, verlagert sich das Augenmerk später zunehmend auf das Spannungsfeld von Flächen und Formen, die Braque wie Chiffren immer wieder verwendet und uns durch minimale Veränderungen immer andere Dinge erkennen lässt: Monde oder Fische, Körper oder Kannen, und immer wieder: Vögel. „Wer zu Braques Graphik den Formschlüssel gefunden hat“, schreibt der Kunstwissenschaftler Werner Hofmann in seinem Überblickswerk über das graphische Schaffen Georges Braques, „dessen wanderndes Auge findet in den farbigen Radierungen und Lithographien reiche, unerschöpfliche Nahrung. Ihre scheinbar einfache lesbarkeit trügt: Sie verlangen ein fleißiges, vergleichendes Auge. In Wahrheit hängen sie an geheimen Fäden zusammen und bezeugen, was schon die frühen Radierungen erkennen ließen: Dass jeder Form mehrsinnige Möglichkeiten innewohnen. Darin liegt die gestaltende Kraft des großen Meisters, der mit wenigem vieles bestreiten kann.“
Picasso und sein Meisterdrucker
Er zählt zu den häufigsten Modellen Pablo Picassos (1881 – 1973). Doch Piero Crommelynck (1934 – 2001) ist weder Künstlerkollege noch Freund, noch ein Bekannter aus dem Südfranzösischen Mougins. Crommelynck ist nichts von alledem – und mehr als das: Der belgischstämmige Italiener betrieb, gemeinsam mit seinem Bruder Aldo, die Druckwerkstatt, ohne die Picassos umfassendes graphisches Spätwerk nicht möglich gewesen wäre. 1959 eröffnen die Brüder ein Atelier in Paris; bald zählen sie Braque und Miró, Giacometti und Le Corbusier, André Masson und Hans Arp zu ihren Kunden, Mit keinem Künstler aber ist die Zusammenarbeit so intensiv wie mit Pablo Picasso. Der hatte bereits vor einigen Jahren seinen Wohnsitz nach Südfrankreich verlegt; 1963 ziehen die Crommelyncks mit und stellen ihre Druckerpresse in einer alten Bäckerei unweit von Picassos Villa in Mougins auf. „Nur wenige Menschen können von sich behaupten, eine wirklich enge und starke Beziehung zu Pablo Picasso gehabt zu haben“, sagt Picasso-Spezialist Werner Spiess. „Piero hatte sie.. aber er war ein überaus diskreter Mann. Nur dank Jacqueline Roque weiß ich, wie oft Pieros profundes Wissen über graphische Herstellungsprozesse für Picasso eine fruchtbare, unverzichtbare Inspirationsquelle war.“ Innerhalb von zehn Jahren entstehen auf diese Weise in engster, phasenweise täglicher Zusammenarbeit 750 Blätter. Als Dank, und weil Piero Crommelyncks Erscheinungsbild ihn an seinen Vater erinnerte, verewigt Picasso Crommelynck in seinen Musketier-Zyklen, aber auch in Porträts wie der vorliegenden Radierung „Porträt des Piero Crommelynck II“ von 1966. Bis zu Picassos Tod bleiben die Crommelynck-Brüder in Mougins. Erst danach kehren sie wieder nach Paris zurück.
Weitere Highlights
Nachschau 45. Kunstauktion : Picasso, München und Memento Mori-Objekte
Gleich drei Privatsammlungen standen bei der 45. Kunstauktion bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen im Blickpunkt des Bieter-Interesses: 35 Aquarelle mit Alt-Münchner Ansichten von August Seidel (1820 – 1904), rund 40 Gemälde und Skizzen des Münchner Spätimpressionisten Otto Strützel (1855 – 1930) sowie Graphik der klassischen Moderne und Asiatika aus dem Besitz des SPD-Politikers Georg Kahn-Ackermann (1918 – 2008).
Hoch im Kurs: Graphik der Moderne
Aus dessen Sammlung stammt auch das Top-Los der diesjährigen Sommer-Auktion: Die Lithographie „Jeune fille inspirée par Cranach“ von Pablo Picasso (1881 – 1973) wurde nach einem intensiven Bietergefecht für 29.000 Euro* an einen privaten Bieter zugeschlagen. Generell las sich das Künstlerverzeichnis der Sammlung Kahn-Ackermann wie ein Who‘s Who der europäischen Kunst der 1920er- bis 1950er-Jahre; entsprechend gefragt waren auch die Graphik-Blätter, beispielsweise die Zeichnung „Beim Galeristen“ von George Grosz (1893 – 1959). Für 3.300 Euro* ging das Blatt in den Kunsthandel.
Gefragt: Memento Mori-Objekte
Eine Passage mit elfenbeinernen Memento Mori-Objekte aus dem 17. und 18. Jahrhundert stand ebenfalls hoch in der Gunst der Bieter. Sämtliche Objekte wurden weit über ihrem Schätzpreis zugeschlagen.
Die beiden Spitzenlose konnten ihre Taxe sogar mehr als verfünffachen: Ein sieben Zentimeter großer Männerkopf, halb in den ersten Stadien der Verwesung, halb als Totenschädel dargestelt, kletterte von 1.200 bis auf 6.400 Euro*; ein Totenschädel mit Schlange und Echse stieg von 1.000 auf 6.900 Euro*, bevor der Hammer fiel. Beide Skulpturen, die ursprünglich zur Intensivierung der religiösen Andacht gedient hatten, gingen in den internationalen Kunsthandel.
Highlight bei den Altmeistern: Tod des Hl. Nepomuk

In der Art des Franz Anton Maulbertsch, Tod des Heiligen Nepomuk. Ölstudie / Lwd., Ergebnis 5.000 Euro*
Ein „Tod des Heiligen Nepomuk“ in der Art des österreichischen Barockmeisters Franz Anton Maulbertsch (1724 – 1796) entwickelte sich zum Toplos bei den Altmeistern.
Die Ölskizze zeigt eindrucksvoll eine für den Spätbarock überaus modern anmutende Lichtführung. Dieser fast schon impressionistisch anmutende Umgang mit Licht- und Schatteneffekten machte Maulbertschs Gemälde zu einer wichtigen Inspirationsquelle für die österreichische Moderne, unter anderem für Oskar Kokoschka. Die 38 x 23,5 cm große Studie wurde für 5.000 Euro* an einen privaten Sammler verkauft.
Eindrucksvolles Ergebnis: August-Seidel-Aquarelle

August Seidel, München-Ansichten: Blick auf München und die Mariahilfkirche in der Au. Aquarell über Bleistift, Ergebnis: 3.000 Euro*
Bei der Graphik erregte eine Sammlung mit 35 Aquarellen aus der Hand des Münchner Malers August Seidel (1820 – 1904) besonderes Aufsehen: Die Blätter zeigen samt und sonders Ansichten der Hauptstadt Bayerns, bevor sich diese in den 1880er- und 1890er-Jahren in eine pulsierende Großstadt verwandelte: Stände am Viktualienmarkt, Häuserzeilen im heutigen Glockenbachviertel, Bauern- und Wäscherhäuser, und immer wieder Ausblicke auf München, vom Sendlinger und vom Nockherberg aus, von der Heidelandschaft des Münchner Nordens oder der Theresienwiese, auf der gerade die Heuernte stattfindet. Für insgesamt 35.000 Euro* gingen die Bilder an einen privaten Sammler; zu besonders intensiven Bietergefechten kam es um einen „Blick auf München und die Maria-
hilfkirche“, der für 3.000 Euro* zugeschlagen wurde, sowie einen „Blick von Norden auf München und die Alpen“; dieses Blatt erzielte 2.300 Euro* .
Grützner und Compton punkten beim 19. Jahrhundert
Werke von Eduard von Grützner (1846 – 1925) und Edward Theodore Compton (1849 – 1921) erzielten die besten Preise bei den Gemälden des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. „Bruder Kellermeister“, ein typisches Motiv für den auf sinnenfreudige Mönche spezialisierten Grützner, erlöste 8.200 Euro*. Der „Blick auf die Trettachspitze“, einen Berg hinter Oberstdorf, den der Maler und passionierte Bergsteiger Compton gemalt hatte, wurde für 7.600 Euro* zugeschlagen.
Größter Sprung: Altenburger Steinzeug

Kugelbauchkrug, Altenburg, Ende 17. Jh. Steinzeug, salzglasiert, mit Zinndeckel. Ergebnis 2.500 Euro*
Den größten Sprung bei den Losen der Sommerauktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen verzeichnete ein Steinzeug-Krug aus Altenburg. Das vorliegende Trinkgefäß entstand zur Blütezeit der örtlichen Töpfereikultur, die das thüringische Städtchen im ausgehenden 17. Jahrhundert erlebte, nachdem Anfang des Jahrhunderts in den umliegenden Wäldern Tonvorkommen entdeckt worden waren. Rasch wurde das schlichte, salzglasierte Steinzeug zu einem wichtigen Handelsgut, das auch weit über die Landesgrenzen hinaus verkauft wurde. Der vorliegende, Ende des 17. Jahrhunderts entstandene Kugelbauchkrug mit Zinndeckel wurde auf 250 Euro taxiert, kletterte in der Auktion aber bis auf 2.500 Euro*.
Noble Reflektion: Pfeilerspiegel des Empire
Die Liebe des Empirestils zur Antike wird an einem Paar Pfeilerspiegel deutlich, die im Lauf der Auktion am 5. Juli bis auf einen Zuschlagspreis von 5.000 Euro* stiegen. Die Form ist dem verkröpften Gebälk einer Tempelfront nachempfunden, die zierlichen schwarzen Säulen tragen korinthische Kapitelle, die goldfarbenen Stukkaturen sind Akanthusfriesen nachempfunden. Und die grüngrundigen Felder ober- und unterhalb der Spiegel zeigen antikisierende Szenen. Die Pfeilerspiegel gingen in den Kunsthandel.
Highlights 45. Kunstauktion: Gemälde von Otto Strützel aus der Sammlung Müller
Über 40 Gemälde und Zeichnungen Otto Strützels (1855 – 1930) aus dem Besitz von Erich und Thomas Müller vervollständigen den “Sammlungs-Dreiklang”, der das Bild der Sommerauktion 2019 entscheidend prägt. Die Offerte reflektiert die ganze Breite des Schaffens des Münchner Spätimpressionisten, von den Anfängen bis zum Spätwerk.
Schafe, Pferde und Kühe
“Im Frühling und im Herbst muss man draußen malen”, lautete die Maxime des aus Dessau stammenden Malers, der 1885 nach München übersiedelte. Ihr blieb er sein Künstlerleben lang ebenso verpflichtet wie einigen zentralen, sein gesamtes Werk prägenden Motiven: Ansichten der oberbayerischen, voralpinen Landschaft, Schafherden, Pferden und Kühen sowie der bäuerlichen Arbeit, die Strützel nicht verklärt darstellt, sondern auch ihre Härten und Mühen im Bild sichtbar werden lässt.
Otto Strützel und das bäuerliche Leben
Da die Sammlerfamilie Müller, die die Arbeite teilweise über drei Generationen hinweg in ihrem Besitz hatte, der Landwirtschaft stets eng verbunden war, liegt hier auch ein Schwerpunkt der vorliegenden Sammlung. Das Spektrum reicht von Tierstudien zu Kühen, Pferden und vor allem Schafen bis zu eindrucksvollen Ölgemälden wie “Ochsen am Pflug im spätherbstlichen Dachauer Moos” oder “Weidende Schafherde und Bauer mit Kuhgespann”.

Otto Strützel: Weidende Schafherde und Bauer mit Kuhgespann (Herbststimmung). Schätzpreis 3.500 Euro.
Jahreszeit und Landwirtschaft
Jedes der beiden Bilder spiegelt die Schönheit von Landschaft und jahreszeitlicher Stimmung al mit allen Sinnen wahrgenommenen Eindruck wieder: Bei den Ochsen am Pflug meint man den Geruch der vom Pflug aufgerissenen Erdschollen förmlich zu richen. Bei der “Weidenden Schafherde…” suggeriert der strahlend blaue, wolkendurchzogene Himmel und das noch kaum verfärbte Blattwerk der Bäume einen einladenden, fast noch spätsommerlichen Tag. Doch die beiden menschlichen Figuren bewegen sich keineswegs leichtfüßig durch die sonnendurchflutete Szenerie. Sie sind gebückt und gehen schweren Schrittes, müde von einem langen Arbeitstag.
Noch deutlicher wird dieser Aspekt bei den “Ochsen am Pflug…”: Tief sinken die Hufe der Tiere in den Morast ein, mit aller Kraft müssen sie sich gegen das Stirnjoch stemmen, um den Pflug in dem schweren Erdreich vorwärts zu bewegen. All dies sind Bildmotive, bei denen Otto Strützel seine spätimpressionistische Bildauffassung um realistische Aspekte erweitert.
Licht und Wetter
Seine reinen Landschaftsdarstellungen dagegen sind ganz von Licht- und Witterungsstimmungen geprägt – von den sich im Wasser spiegelnden Wolken und Berggipfeln im “Königssee” (ganz oben) bis zur sich blaugrau vor schweren dunklen Wolken abzeichnenden Gebirgskette in dem späten, bei Ohlstadt entstandenen Gemälde “Vor dem Regen”.

Otto Strützel, Apfelblütenzweig und Schafstudien. Bleistiftzeichnung, tlw. aquarelliert. Schätzpreis 200 Euro.
Otto Strützel im Kontext der Münchner Malerei
“Wie bei den Malern der ,Scholle’ wie z.B. bei Leo Putz oder Erler baut Strützel die Bildobjekte streng aus einzelnen Teilen zusammen, die sich dann zum Objekt zusammenfügen. Das Verschwimmende und Flimmernde wird hier gemieden. Klar konturiert in der Binnenfläche und im Umriss erscheint der Gegenstand”, schreibt der Kunsthistoriker Horst Ludwig anlässlich einer Strützel-Ausstellung in der Neuen Pinakothek. “Stilistisch gehören solche Arbeiten einem Impressionismus an, der von der expressiven Handschrift eines Corinth gleichermaßen entfernt ist wie von der feintonigen Freilichtmalerei eines Adolf Lier.”
Highlights 45. Kunstauktion: Picasso & mehr – Die Sammlung Kahn-Ackermann
Eines der absoluten Highlights der Auktion am 5. Juli ist die fast hundert Positionen umfassende Sammlung des SPD-Politikers Georg Kahn-Ackermann (1918 – 2008). Aus ihr stammt auch das Spitzenlos der Auktion, die Lithographie “Jeune fille inspirée par Cranach” von Pablo Picasso (oben links, Schätzpreis 18.000 Euro).
Kunst aus einem Künstlerhaus
Die Sammlung ist nicht nur mit Graphik der Klassischen Moderne und Asiatika hochrangig besetzt, sie entführt auch in über drei Generationen bestehendes Künstlerhaus in Ammerland am Starnberger See.
Leben wie im Roman
„Eines Tages (…) lag auf dem Dach des Holzschuppens Lukas Brandt auf dem Bauch und beschäftigte sich mit seinem Briefmarkenalbum. Er lag oft und gern hier oben (…) Im Küchenfenster wurde mit Geschirr geklappert; dort spülte Anne gerade ab, und Lukas überlegte, wie sie wohl wieder schimpfen würde, wenn sie ihn hier oben sehen könnte. Anna schimpfte immer; das war so ihre Art von Erziehung, und auf diese einfache Art zeigte sie, wie sehr sie den Jungen liebte. (…) Lukas‘ Mutter, Frau Dr. Brandt, war oft verreist. Sie arbeitete in großen Städten für Verlage und Zeitungen, um für sich und ihren Jungen Geld zu verdienen (…).“ Die erste Szene des 1933 erschienenen Romans „Kalumina – der Roman eines Sommers“ von Kadidja Wedekind, entführt nicht nur in eine zauberhafte Phantasiewelt rund das Landhaus der Familie Ackermann am Starnberger See. Sie spannt zugleich auch den Hintergrund für das Entstehen der Sammlung Kahn-Ackermann auf, die in der Sommerauktion 2019 bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen versteigert wird.
Von Wedekind bis Henry Kissinger
Der spätere Mitbegründer der Verwertungsgesellschaft Wort, SPD-Bundestags-Abgeordnete Georg Kahn-Ackermann, Vizepräsident des Europarats, aber auch Kreistagsabgeordnete in Bad Tölz/Wolfratshausen, tritt in „Kalumina“ kaum verändert als Lukas in Erscheinung, eine der Hauptfiguren des Romans.
Seine Mutter, die Schauspielerin und Übersetzerin Lilly Kahn-Ackermann (1892 – 1976), ist darin als Frau Dr. Brandt präsent. Ihr Anfang der 1920er-Jahre erbautes Landhaus in Ammerland ist nicht nur zentraler Ort der Handlung von „Kalumina“, hier gaben sich auch in Wirklichkeit jahrzehntelang Größen aus Kultur und Politik die Klinke in die Hand.
Lilly Kahn-Ackermann selbst wuchs als nicht eheliche Tochter der impressionistischen Malerin Maria Slavona (1865 – 1931) und des Malers und Kunsthändlers Willy Gretor (1867 – 1923) auf, einem engen Freund des Dramatikers und Schriftstellers Frank Wedekind. Die Freundschaft mit dessen Familie blieb weit über Wedekinds Tod 1918 hinaus bestehen. Seine beiden Töchter Pamela und Kadidja waren bis in die frühen 1930-er Jahre häufige Gäste auf dem Ammerländer Anwesen, ebenso Künstler und Dichter wie Conrad Felixmüller oder Jean Giraudoux. Später, als Georg Kahn-Ackermann das Haus in Ammerland für sich nutzte, fanden sich Politiker wie Willy Brandt, Herbert Wehner oder Henry Kissinger ein.
Besondere Leidenschaft für Picasso
Auch die vorliegende Sammlung reflektiert den offenen, freien Geist dieses Künstlerhaushalts; sie spannt den Bogen über alle wichtigen Kunstströmungen von etwa 1900 bis 1970 und enthält Arbeiten ihrer zentralsten Persönlichkeiten: Radierungen und Lithographien der Post-Impressionisten Pierre Bonnard und Paul Signac sowie der Expressionisten Erich Heckel, Max Beckmann und Ernst Barlach. Drucke und Zeichnungen im Geist der Neuen Sachlichkeit von Otto Dix, Rudolf Schlichter und George Grosz. Arbeiten, die verschiedenste Spielarten des Surrealismus reflektieren – von Max Ernst bis René Magritte, von Man Ray bis Paul Delvaux, von Juan Mirò bis Salvador Dalì. Die Spitzenobjekte der Sammlung sind zwei Graphiken von Pablo Picasso (1881 – 1973).Von ihm sind, neben diversen Radierungen, auch zwei Lithographien aus den Fünfziger Jahren, die beide im Rahmen seiner Metamorphosen zum Werk von Lucas Cranach entstanden sind: „Jeune fille inspiré par Cranach“ vom 26./27. 3. 1949 und „Le départ“ vom 20.5.1951. In beiden Blättern paraphrasiert Picasso Cranachs Bilder nicht einfach: „Le départ“ kombiniert Elemente unterschiedlicher Werke zu einer ganz neuen Kompositionen. „Jeune fille inspiré par Cranach“ bietet eine von Picasso kreativ überformte Sicht auf Cranachs „Bildnis der Prinzessin Sybille von Cleve“ von 1526.
Neben diesen graphischen Highlights bietet die Sammlung von Georg Kahn-Ackermann auch eine feine Auswahl an Asiatika, die der weltgewandte Politker zum Teil von seinen Reisen mitbrachte. Sie runden die umfassende Offerte ab.
Highlights Auktion 5. Juli: München-Aquarelle von August Seidel
Ein Glanzlicht bei der Graphik des 19. Jahrhunderts setzen bei der Sommerauktion am 5. Juli 35 Aquarelle von August Seidel (1820 – 1904). Sie zeigen Eindrücke aus der Innenstadt Münchens, den Vorstädten und den umliegenden Weilern, bevor sich die beschauliche Residenzstadt durch den wirtschaftlichen und kulturellen aufschwung der Prinzregentenzeit in eine pulsierende Metropole mit 500.000 Einwohnern verwandelte. Oben abgebildet: Ein Blick vom Giesinger Berg aus über die Mariahilfkirche hin zur Silhouette der Münchner Innenstadt, Schätzpreis 800 Euro.
Monacensia: Eine Sammlung mit Bildern vom dörflichen München

Am Viktualienmarkt mit Blick auf die Heilig-Geist-Kirche. Aquarell über Bleistift, Schätzpreis 800 Euro.
Die bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen zu Schätzpreisen zwischen 500 und 800 Euro angebotenen Blätter gehörten zumindest teilweise zu jenen 200 Aquarellen mit verschwundenen Ecken Münchens, die Regierungsrat Philipp Pfister in den 1880er-Jahren für seine Monacensia-Sammlung ankaufte. Sie waren ausnahmslos von Malern gefertigt, die auch mit Wehmut auf das Verschwinden von Höfen und Herbergen, Werkstätten und Mühlen, Floßländen und Auen blickten.

Fraunhoferstraße mit dem ehemaligen kurfürstlichen Jägerhaus. Aquarell über Bleistift, Schätzpreis 600 Euro.

Holzstraße mit Ansicht der alten Schmiede vom Glockenbach aus. Aquarell über Bleistift, Schätzpreis 500 Euro.
August Seidel: Ein Künstler auf der Suche nach der Stadt-Idylle
Diesen Geist fängt auch das Vorwort des Katalogs ein, der anlässliche des Verkaufs der Monacensia-Sammlung im 1904 herausgegeben wurde.

Die Fleischbank im Thal (abgebrochen 1884, innere Ansicht). Aquarell über Bleistift. Schätzpreis 500 Euro.
“Seidel hatte sein Künstlerauge (…) bei aller Wahrheit, doch ohne alle Vedutenhaftigkeit auf die Physiognomie des früheren kleinbürgerlichen Stadtbildes geworfen”, heißt es im Vorwort dieses Katalogs. “Dazu gehörten die kleinen, den echten Philister so anheimelnden, jetzt ganz verschollenen Wirtschaften (…), die Tagwerker- und Wäscherinnen-Häuschen in den abrasierten Vorstädten und die letzten jener “Keller”, wo die Halle so schmucklos, der Garten so schattig und das Bier noch so gut war.”
Highlights Auktion 5. Juli / Memento Mori-Objekte
Zu den faszinierendsten Aspekten der Geisteshaltung des Barock gehört die kontinuierliche Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit. Eine Offerte mit großenteils in Elfenbein gearbeiteten Meditationsobjekten des 17. und 18. Jahrhunderts gehört zu den Highlights der 45. Kunstauktion am 5. Juli.
Den Tod be-greifen

Von links: Memento-Mori, wohl 18. Jh., Elfenbein mit silberner Schlange. Schätzpreis 500 Euro. Memento Mori, wohl 17./18. Jh., Elfenbein, Schätzpreis 1.200 Euro. Memento Mori, wohl 17./18. Jh., Elfenbein. Schätzpreis 1.000 Euro.
Aus heutiger Perspektive erwecken Vergänglichkeitsdarstellungen dieser Epoche leichtes Schaudern: Motive wie der in zwei Stadien der Verwesung gezeigte Männerkopf erscheinen uns in ihrer Darstellung äußerst drastisch, da der Zeitgeist des frühen 21. Jahrhunderts jegliche Todesbezüge nur zu gern aus dem Bewusstsein verdrängt. Eine Haltung, die von der Weltanschauung des Barock nicht weiter entfernt sein könte, wie es der Direktor des Bayerischen Nationalmuseums, Dr. Frank Matthias Kammel, in einem Aufsatz beschreibt: Die Vanitas-Kultur, die im späten 16. Jahrhundert einsetzte, betrachtete den Tod als integralen Bestandteil des Lebens. Meditationen über die eigene Hinfälligkeit waren feste Bestandteile der religiösen Andacht. Durch das Betasten plastischer Memento-Mori-Objekte wurden sie noch intensiviert.

Memento Mori aus Elfenbein in Form eines mit Umhang versehenen Skeletts mit einem Sarg als Laterne; Schätzpreis: 600 Euro. Zehner mit Karneolkugeln und Elfenbein-Totenkopf. Schätzpreis 300 Euro.
Suggestivstes Material für Memento Mori-Objekte: Elfenbein
Bevorzugt wurden solche Objekte in Elfenbein gestaltet: Das Material erinnert, in ungeschliffenem Zustand, in seiner Haptik an Knochen; geschliffen fühlt es sich ähnlich an wie feinporige Haut. “Mit der Wahl des Materials Elfenbein gibt der Künstler dem Betrachter alle erdenklichen Meditationshilfen zur Vergegenwärtigung des eigenen Todes an die Hand”, schreibt die Kunsthistorikerin Andrea von Hülsen-Esch. “Kein anderes, noch so kostbares Material vereinigt in sich gleichermaßen die Nähe zum menschlichen Körper, die Suggestivkraft des Haptischen und die Konnotation mit dem Skelett als Visualisierung des toten Körpers schlechthin”.

Von links: Totenkopf, Bergkristall, Schätzpreis 100 Euro. Totenkopf, 18. /19. Jh., Bein mit aufklappbarem Messingdeckel. Schätzpreis 250 Euro. Totenkopf, wohl 19. Jh., Elfenbein, Schätzpreis 150 Euro. Totenkopf, wohl 19. Jh., Elfenbein, Schätzpreis 100 Euro.
Hoffnung auf Erlösung
Insgesamt werden in der Sommerauktion zwölf solcher Objekte angeboten, die neben allem Schrecken für den barocken Geist auch eine tröstliche Komponente enthielten: Vergänglichkeitsandachten galten nicht nur dem Ende der jetzigen, irdischen Existenz, sondern führten den Meditierenden über diese Schwelle hinaus auch zur Veranschaulichung von Auferstehung und Ewigem Leben.