Im Blickpunkt der Novemberauktion (IV): Eine Sammlung an Hinterglasbildern und ein modernes Gemälde
In die Welt des Berliner Sammlers Gerhard Stade (1907 – 1973) entführt eine Passage mit vierzig Hinterglasbildern sowie ein 1971 entstandenes Gemälde des Künstlers Matthias Koeppel (*1937) . Der als Ingenieur tätige Stade entdeckte seine Leidenschaft für Kunst, und vor allem für Hinterglaskunst während einer Reise in die Tschechoslowakei zur Zeit des deutschen Wirtschaftswunders. Rasch war sein Interesse geweckt – nicht nur an Arbeiten, die im 19. Jahrhundert in der bayerische-böhmischen Grenzregion entstanden waren, sondern auch an Hinterglasbildern aus anderen Zentren dieser Volkskunst. Vor allem in den 1950er Jahren trug Stade eine umfassende Sammlung zusammen, die die Entwicklung der Hinterglasmalerei im Süddeutschen Raum während des 18. und 19. Jahrhunderts spiegelt.
Hinterglasbilder aus Augsburg und vom Staffelsee
Die ältesten Arbeiten aus Augsburg, dem Staffelseegebiet oder Tirol stammen allesamt aus malerhandwerklicher Fertigung: Ein einzelner Maler arbeitete mit großer Sorgfalt und Detailfreude an seinem Motiv.
Gerade Hinterglasbildern aus Augsburg oder auch der direkt an den Augsburger Handelswegen gelegenen Staffelseeregion orientierten sich meist an Stichen nach altmeisterlichen Gemälden.
Wandschmuck des Biedermeier
Im Lauf des 19. Jahrhunderts wurden Hinterglasbilder zunehmend als Wandschmuck in den Biedermeierlichen Bürgerstuben populär. Entsprechend setzte, vor allem in den Zentren im Bayerischen Wald, eine fast schon serielle, sogenannte hüttengewerbliche Fertigung von Hinterglasbildern ein. Verschiedene Arbeitsschritte verteilten sich auf mehrere Personen – vom Risszeichner bis zum Farbenreiber oder Rahmenmacher .
Hinterglas-Sammlung von Museums-Qualität
Der Querschnitt, den die Sammlung Stade zur Volkskunstform der süddeutschen Hinterglasmalerei bietet, ist so prägnant, dass sie über zwanzig Jahre als Leihgabe beim Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg verweilte. Dort wurde er auch von einer Volkskundlerin inventarisiert. SCHEUBLEIN Art & Auktionen freut sich, nun über vierzig Objekte aus diesem Bestand anbieten zu können.
Ein zeitgenössisches Auftragswerk
Eine ganz andere Facette der Sammlertätigkeit Stades beleuchtet das Gemälde “Glück” aus der Hand des zu dieser Zeit ungewöhnlich gegenständlichen Malers Matthias Koeppel (Schätzpreis 1.200 Euro). Für dessen politischen, gerne auch satirischen Ansatz ist das 1971 als Auftragswerk der Familie Stade entstandene Bild ein gutes Beispiel: Im Vordergrund ist eine junge nackte Frau gezeigt, die lustvoll einen Entsafter im Arm hält. Im Hintergrund sieht ein älterer Mann fern. Dieser Herr war dem TV-Publikum der damaligen Zeit kein Unbekannter: Der Journalist Werner Höfer (1913 – 1997) moderierte seit 1952 den „Internationalen Frühschoppen“, eine Journalisten-Talkrunde zu politischen Themen, die 1971 längst zu einer wahren TV-Institution geworden war.
Matthias Koeppel: Ein politischer Maler
Erst 1987, als der Spiegel Details über einen regimefreundliche Zeitungskommentare Höfers zu Hinrichtungen während der NS-Diktatur veröffentlichte, wurde der „Frühschoppen“ als Sendeformat abgesetzt. Ob Matthias Koeppel bereits zuvor Kenntnis von Höfers Vergangenheit bei einem breiten Kreis von NS-Medien hatte, ist nicht bekannt. Fakt ist allerdings, dass er sich über sein ganzes Künstlerleben hinweg politisch äußerte. So setzte er sich seit den 1970er Jahren in seinen Bildern kontinuierlich mit der Berliner Mauer auseinander und gilt als künstlerischer Chronist des Mauerfalls.
Auch was die Anerkennung der figürlichen Malerei auf dem Kunstmarkt der 1970er Jahre betraf, war er ein nimmermüder Kämpfer: Mit Johannes Grützke, Manfred Bluth und Karlheinz Ziegler gründete er 1973 die „Schule der Neuen Prächtigkeit“, die sich gegenständliche Motive in ironischer Brechung auf die Fahnen geschrieben hatte – einer Richtung, die Koeppel bis heute treu geblieben ist.
Fundgrube-Auktion: Schnupftabak-Flaschen – Glaskunst im Kleinformat
Im Blickpunkt der nächsten Fundgrube-Auktion am 4. Mai stehen vor allem Schmuck, Möbel und Einrichtung sowie Gemälde. Ein besonderes Augenmerk des Angebots mit Trouvaillen für den kleinen Geldbeutel
gilt diesmal aber auch Glaskunst in ganz kleiner Form: Schnupftabak-Fläschen und Flakons.
Tabak für “lüsterne Nasen”
„Die Welt hat eine poßierliche Mode angenommen.
Das ist der unmäßige Gebrauch
des Schnupff-Tabacks. (…) Ich habe bißweilen
mit Verwunderung gesehen, wie große
Herren und ihre Laquayen, wie vornehme
Leute und die vom gemeinen Pöbel, Holzhacker
und Handlanger, Besenbinder und
Bettelvoigte ihre Tabatiere heraus nehmen
und damit handthieren“, heißt es in der
1720 in Leipzig erschienenen Kampfschrift
„Satyrische Gedandcken von der Pica Nasi,
oder der Sehnsucht der lüsternen Nase“.
Ein Status-Symbol: Schnupftabak-Fläschchen
Spätestens im 18. Jahrhundert, das belegt
diese Quelle, war in Europa das Schnupfen
von Tabak quer durch alle Schichten weit
verbreitet. Und das Aufbewahrungsgefäß
für den Schnupftabak spielte bei diesem
Ritual eine fast ebenso wichtige Rolle wie
der Tabak selbst.
Eine Flasche für den Schmalzler
Während der klassische,
trockene Schnupftabak aus Dosen entnommen
wurde, eignete sich für die Frischhaltung
des in Süddeutschland, Böhmen,
Österreich und der Deutschschweiz verbreiteten
Schmalzlers – er bekam durch die
Zugabe von Butterschmalz seine cremige
Konsistenz – vor allem Steingut- oder Glasfläschchen.
Kunsthistorisch gesehen sind diese
Schnupftabak-Flaschen eine spezielle
Variante der seit dem 17. Jahrhundert weit
verbreiteten Flacons mit einem meist engeren Öffnungsdurchmesser.
Ein Experimentierfeld für Glaskünstler
Hergestellt
wurden sie meist in den Glashütten des
Bayerischen und des Böhmerwalds.
Gerade ältere Schnupftabakflaschen greifen
häufig Flaconformen auf, die auf Venedig
zurückgehen. Andere wurden in den
Glashütten als „Resteverwertung“ gefertigt,
oder dienten den Glaskünstlern zum Experimentieren
mit neuen Farben, Formen und
Techniken.
Die beiden bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen
angebotenen Positionen mit Schnupftabakflaschen
(Schätzpreis je 200 Euro)
zeigen einen Querschnitt der Produktion
im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet: Die erste Position umfasst
eine orange Flasche in Form der „Neidfaust“
nach venezianischer Tradition und
ein „Bandlglas“ mit geraden Bandeinlagen.
Die zweite Position bündelt eine Schnupftabakflasche
in Gestalt eines Schwans mit
farbigen Einschmelzungen, eine Flasche im
Millefioridekor sowie geschleudertes Glas
in einem hellblauen Dekor mit orangen Flecken
und farblosem Überfang.
Flakons: Die nahen Verwandten
Abgerundet
wird dieses Angebot durch ein Konvolut
mit 50 Flakons verschiedenster Materialien
und Glastechniken (Schätzpreis 80 Euro).