Fundgrube-Auktion: Schnupftabak-Flaschen – Glaskunst im Kleinformat
Im Blickpunkt der nächsten Fundgrube-Auktion am 4. Mai stehen vor allem Schmuck, Möbel und Einrichtung sowie Gemälde. Ein besonderes Augenmerk des Angebots mit Trouvaillen für den kleinen Geldbeutel
gilt diesmal aber auch Glaskunst in ganz kleiner Form: Schnupftabak-Fläschen und Flakons.
Tabak für “lüsterne Nasen”
„Die Welt hat eine poßierliche Mode angenommen.
Das ist der unmäßige Gebrauch
des Schnupff-Tabacks. (…) Ich habe bißweilen
mit Verwunderung gesehen, wie große
Herren und ihre Laquayen, wie vornehme
Leute und die vom gemeinen Pöbel, Holzhacker
und Handlanger, Besenbinder und
Bettelvoigte ihre Tabatiere heraus nehmen
und damit handthieren“, heißt es in der
1720 in Leipzig erschienenen Kampfschrift
„Satyrische Gedandcken von der Pica Nasi,
oder der Sehnsucht der lüsternen Nase“.

Titelblatt der Kampfschrift “Satyrische Gedancken von der Pica Nasi”, die über das digitale Angebot der Bayerischen Staatsbibliothek zugänglich ist.
Ein Status-Symbol: Schnupftabak-Fläschchen
Spätestens im 18. Jahrhundert, das belegt
diese Quelle, war in Europa das Schnupfen
von Tabak quer durch alle Schichten weit
verbreitet. Und das Aufbewahrungsgefäß
für den Schnupftabak spielte bei diesem
Ritual eine fast ebenso wichtige Rolle wie
der Tabak selbst.

Titelkupfer der 1720 in Leipzig erschienenen Kampfschrift “Satyrische Gedancken von der Pica Nasi, oder der Sehnsucht der lüsternen Nase”.
Eine Flasche für den Schmalzler
Während der klassische,
trockene Schnupftabak aus Dosen entnommen
wurde, eignete sich für die Frischhaltung
des in Süddeutschland, Böhmen,
Österreich und der Deutschschweiz verbreiteten
Schmalzlers – er bekam durch die
Zugabe von Butterschmalz seine cremige
Konsistenz – vor allem Steingut- oder Glasfläschchen.
Kunsthistorisch gesehen sind diese
Schnupftabak-Flaschen eine spezielle
Variante der seit dem 17. Jahrhundert weit
verbreiteten Flacons mit einem meist engeren Öffnungsdurchmesser.
Ein Experimentierfeld für Glaskünstler
Hergestellt
wurden sie meist in den Glashütten des
Bayerischen und des Böhmerwalds.
Gerade ältere Schnupftabakflaschen greifen
häufig Flaconformen auf, die auf Venedig
zurückgehen. Andere wurden in den
Glashütten als „Resteverwertung“ gefertigt,
oder dienten den Glaskünstlern zum Experimentieren
mit neuen Farben, Formen und
Techniken.

Zwei Schnupftabak-Fläschchen aus dem Bayerischen Wald bzw. Böhmen: ein Bandlglas und eine “Neidfaust”. Schätzpreis: 200 Euro.
Die beiden bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen
angebotenen Positionen mit Schnupftabakflaschen
(Schätzpreis je 200 Euro)
zeigen einen Querschnitt der Produktion
im bayerisch-böhmischen Grenzgebiet: Die erste Position umfasst
eine orange Flasche in Form der „Neidfaust“
nach venezianischer Tradition und
ein „Bandlglas“ mit geraden Bandeinlagen.

Drei Schnupftabak-Fläschchen. Von links: geschleudertes Glas, Millefioridekor, Schwanenform mit gefärbten Einschmelzungen. Schätzpreis: 200 Euro.
Die zweite Position bündelt eine Schnupftabakflasche
in Gestalt eines Schwans mit
farbigen Einschmelzungen, eine Flasche im
Millefioridekor sowie geschleudertes Glas
in einem hellblauen Dekor mit orangen Flecken
und farblosem Überfang.
Flakons: Die nahen Verwandten
Abgerundet
wird dieses Angebot durch ein Konvolut
mit 50 Flakons verschiedenster Materialien
und Glastechniken (Schätzpreis 80 Euro).
Highlights der Juni-Auktion (IV): Belle Epoque am Goetheplatz
Auf die Auktion am 30. Juni können sich diesmal Liebhaber von Jugendstil-Objekten ganz besonders freuen. Gerade für Münchner ist etwas besonders spannendes dabei: Ein Tagesbett und ein Armlehnsessel des Architekten-Duos Helbig & Haiger (links), die das Bild dieser Epoche in der Isarmetropole entscheidend mitprägten.

Fassade des Wohnhauses Ainmillerstr. 22 in München-Schwabing, gestaltet von dem Architektenduo Helbig & Haiger.
Die Fassade des Hauses Ainmillerstraße 22 mit ihrem üppigen Schmuck und den leuchtenden Farben kennt jeder, der schon einmal durch Schwabing gebummelt ist. Entworfen wurde das Gebäude, ebenso wie das von der Fassadengestaltung her dezentere, aber ebenso elegante Mietshaus in der Römerstraße 11, 1899 von den Architekten Henry Helbig und Ernst Haiger.
Die Möbelstücke – ein seltener Glücksfall
Weniger bekannt ist, dass das Duo auch Innenräume gestaltete. Und noch seltener tauchen von ihnen entworfene Möbel im Kunsthandel auf. Insofern ist es ein Glücksfall, dass SCHEUBLEIN Art & Auktionen nun ein Tagesbett und einen Armlehnsessel von Helbig & Haiger versteigern kann. Beide Möbelstücke (Schätzpreise: 1.200 und 280 Euro) sind aus Nussholz gearbeitet und stilgetreu gepolstert.

Das Tagesbett und der Armlehnsessel, die bei SCHEUBLEIN versteigert werden, in einem zeitgenössischen Ambiente.
Erstes Aufsehen hatten Henry Helbig (1872 – 1943) und Ernst Haiger (1874 – 1952) 1898 bei der Münchner Glaspalast-Ausstellung mit Entwürfen für Villen und Interieurs erregt. Sie gründeten ein gemeinsames Atelier, in dem sie neben den beiden Schwabinger Bauten unter anderem den Umbau des Palais Freyberg am Karolinenplatz 5a betreuten. Das Atelier bestand bis ca. 1903. Danach verlieren sich die Spuren von Henry Helbig.
Herrschaftliche Villen, Goldene Bar
Ernst Haigers weiteres Schaffen indes ist gut dokumentiert: Bald nach Beendigung der Zusammenarbeit wendete er sich vom Jugendstil ab. Stattdessen arbeitete er in seinen Bauten mit abgewandelten Stilelementen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In den 1910er und 1920er Jahren baute er u.a. Villen für Augusta und Frederico de Osa in Kempfenhausen und Berg am Starnberger See; 1938 gestaltete er die „Goldene Bar“ im Münchner Haus der Kunst und verantwortete den Umbau des Deutschen Pavillons auf der Biennale in Venedig.
Auch darüber hinaus ist der Jugendstil in der Auktion am 30. Juni mit einigen bemerkenswerten Objekten vertreten: zum Beispiel mit einer Sitzgruppe der um 1900 mit Niederlassungen in ganz Europa präsenten Wiener Möbelfirma Jakob & Josef Kohn nach Entwurf ihres Hausdesigners Gustav Siegel (Schätzpreis 1.400 Euro), oder einem Salontisch mit stilisierten Clematis-Blüten von Louis Majorelle, einst Mitbegründer der für den französischen Jugendstil prägenden École de Nancy (Schätzpreis ebenfalls 1.400 Euro).
Von einem weiteren weltberühmten Vertreter der Schule von Nancy werden zwei Vasen angeboten: Emile Gallé gestaltete sowohl die große ovale Vase mit reliefiert geätztem Mohnblumendekor (Schätzpreis 600 Euro) wie auch die kleine Vase mit herbstlich anmutenden Dekormotiven (Schätzpreis 120 Euro).
Auch aus dem deutschsprachigen Raum werden zwei außergewöhnliche Vasen versteigert: Eine Glasvase mit langgezogenem Hals und aufgelegtem silbernem Blütendekor im typischen irisierenden Glas der böhmischen Werkstatt Johann Loetz Witwe sowie eine grün glasierte Keramikvase mit floralem Schlickerdekor von Max Laeuger. In seiner 1897 gegründeten, zu den Tonwerken Kandern gehörenden Kunsttöpferei arbeitete er daran, die Stilformen des Jugendstil auch auf keramische Objekte zu übertragen.
Jugendstil-Keramik: Vase von Max Laeuger, Tonwerke Kandern. Schätzpreis: 100 Euro
Sogar bei der Graphik ist diesmal ein Jugendstil-Objekt vertreten: Ein Dekorentwurf des Architekten und Designers Eugène Gaillard. Er wird zu einem Schätzpreis von 1.000 Euro angeboten.