Highlights der Juni-Auktion (IV): Belle Epoque am Goetheplatz
Auf die Auktion am 30. Juni können sich diesmal Liebhaber von Jugendstil-Objekten ganz besonders freuen. Gerade für Münchner ist etwas besonders spannendes dabei: Ein Tagesbett und ein Armlehnsessel des Architekten-Duos Helbig & Haiger (links), die das Bild dieser Epoche in der Isarmetropole entscheidend mitprägten.
Die Fassade des Hauses Ainmillerstraße 22 mit ihrem üppigen Schmuck und den leuchtenden Farben kennt jeder, der schon einmal durch Schwabing gebummelt ist. Entworfen wurde das Gebäude, ebenso wie das von der Fassadengestaltung her dezentere, aber ebenso elegante Mietshaus in der Römerstraße 11, 1899 von den Architekten Henry Helbig und Ernst Haiger.
Die Möbelstücke – ein seltener Glücksfall
Weniger bekannt ist, dass das Duo auch Innenräume gestaltete. Und noch seltener tauchen von ihnen entworfene Möbel im Kunsthandel auf. Insofern ist es ein Glücksfall, dass SCHEUBLEIN Art & Auktionen nun ein Tagesbett und einen Armlehnsessel von Helbig & Haiger versteigern kann. Beide Möbelstücke (Schätzpreise: 1.200 und 280 Euro) sind aus Nussholz gearbeitet und stilgetreu gepolstert.
Erstes Aufsehen hatten Henry Helbig (1872 – 1943) und Ernst Haiger (1874 – 1952) 1898 bei der Münchner Glaspalast-Ausstellung mit Entwürfen für Villen und Interieurs erregt. Sie gründeten ein gemeinsames Atelier, in dem sie neben den beiden Schwabinger Bauten unter anderem den Umbau des Palais Freyberg am Karolinenplatz 5a betreuten. Das Atelier bestand bis ca. 1903. Danach verlieren sich die Spuren von Henry Helbig.
Herrschaftliche Villen, Goldene Bar
Ernst Haigers weiteres Schaffen indes ist gut dokumentiert: Bald nach Beendigung der Zusammenarbeit wendete er sich vom Jugendstil ab. Stattdessen arbeitete er in seinen Bauten mit abgewandelten Stilelementen des 18. und frühen 19. Jahrhunderts. In den 1910er und 1920er Jahren baute er u.a. Villen für Augusta und Frederico de Osa in Kempfenhausen und Berg am Starnberger See; 1938 gestaltete er die „Goldene Bar“ im Münchner Haus der Kunst und verantwortete den Umbau des Deutschen Pavillons auf der Biennale in Venedig.
Auch darüber hinaus ist der Jugendstil in der Auktion am 30. Juni mit einigen bemerkenswerten Objekten vertreten: zum Beispiel mit einer Sitzgruppe der um 1900 mit Niederlassungen in ganz Europa präsenten Wiener Möbelfirma Jakob & Josef Kohn nach Entwurf ihres Hausdesigners Gustav Siegel (Schätzpreis 1.400 Euro), oder einem Salontisch mit stilisierten Clematis-Blüten von Louis Majorelle, einst Mitbegründer der für den französischen Jugendstil prägenden École de Nancy (Schätzpreis ebenfalls 1.400 Euro).
Von einem weiteren weltberühmten Vertreter der Schule von Nancy werden zwei Vasen angeboten: Emile Gallé gestaltete sowohl die große ovale Vase mit reliefiert geätztem Mohnblumendekor (Schätzpreis 600 Euro) wie auch die kleine Vase mit herbstlich anmutenden Dekormotiven (Schätzpreis 120 Euro).
Auch aus dem deutschsprachigen Raum werden zwei außergewöhnliche Vasen versteigert: Eine Glasvase mit langgezogenem Hals und aufgelegtem silbernem Blütendekor im typischen irisierenden Glas der böhmischen Werkstatt Johann Loetz Witwe sowie eine grün glasierte Keramikvase mit floralem Schlickerdekor von Max Laeuger. In seiner 1897 gegründeten, zu den Tonwerken Kandern gehörenden Kunsttöpferei arbeitete er daran, die Stilformen des Jugendstil auch auf keramische Objekte zu übertragen.
Jugendstil-Keramik: Vase von Max Laeuger, Tonwerke Kandern. Schätzpreis: 100 Euro
Sogar bei der Graphik ist diesmal ein Jugendstil-Objekt vertreten: Ein Dekorentwurf des Architekten und Designers Eugène Gaillard. Er wird zu einem Schätzpreis von 1.000 Euro angeboten.
Pferde voraus: Weitere Highlights der 36. Kunstauktion
Reiter und Pferde dominierten die Top-Ergebnisse der Frühjahrsauktion in den Kategorien Malerei des 19. Jahrhunderts und Graphik.
Eines der beiden bestverkauften Lose bei der Malerei des 19. Jahrhunderts, eine prachtvoll gewandete Schimmelreiterin (siehe oben) aus der Hand von Frederick August Wenderoth (1819 – 1884), kletterte von 6.000 Euro Taxe bis auf einen Zuschlagspreis von 9.000 Euro. Wenderoth, in Kassel geboren, verließ 1845 das heimatliche Hessen und ließ sich zunächst in Paris nieder, bevor er mit seinem Malerfreund Charles Christian Nahl in die Vereinigten Staaten auswanderte. Beide wurden vom großen Goldrausch von San Francisco angesteckt. Sie wurden zwar nicht als Goldgräber reich, konnten sich aber als Porträtisten von Bergleuten etablieren und mit Graphiken von Bergbauszenen einen Namen machen. Später unternahm Wenderoth ausgedehnte Reisen in die Südsee und Australien und ließ sich schließlich 1858 in Philadelphia nieder. Dort etablierte er sich als Daguerrotypist, Maler und Illustrator für die Wochenzeitschrift “Harpers Weekly”.
Ein weiteres Top-Ergebnis bei den Gemälden des 19. Jahrhunderts erzielten Emil Adams “Vor Hundewelpen scheuende Pferde im Stall”. Sie steigerten sich von 5.800 Euro Schätzpreis bis auf ebenfalls 9.000 Euro. Der Münchner Maler (1843 – 1924), Sohn eines Tiermalers, beschäftigte sich sein Leben lang mit Pferdebildern, Reiterporträts und Jagdszenen.
Weitere Ergebnisse bei den Gemälden des 19. Jahrhunderts
Ein Liebermann trumpft bei der Graphik auf
Zurück zu den Pferden: Die kleinformatige Tuschzeichnung von Max Liebermann (1874 – 1935), die für das eindrucksvollste Ergebnis bei der Graphik sorgte, zeigt ebenfalls Menschen hoch zu Ross.
Das nur 10,3 x 13.3 cm große Blatt mit einer weiblichen und einem männlichen Reiter, steigerte sich auf das zehnfache seines Schätzpreises und ging für 8.000 Euro an einen privaten Sammler.
Weitere Ergebnisse bei der Graphik
Viktor Mihailovich Vasnetsov: Menükarte des Krönungsbanketts von Zar Nikolaus II., Ergebnis: 3.100 Euro.