Historische Reisefotografie – Impressionen aus Ost und West
Zu ihrer Zeit erregten sie Aufsehen, weil sie Einblick in eine Welt gewährten, die den meisten nicht zugänglich war. Heute mischt sich in die Betrachtung historischer Reisefotografien ein bisschen Wehmut, denn die Welt, die sie zeigen, ist für immer versunken. Gleich mit zwei Positionen der Auktion am 1. Dezember, Rubrik Varia aber kann man sich zumindest ein Stück dieser Nostalgie für immer sichern: Versteigert wird zum einen eine Holzschatulle mit Orient-Fotos aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, zum anderen ein Goldtonabzug der Fotografie eines fischenden Wisham-Indianers von Edward Sheriff Curtis (1868 – 1952), der die Indianer-Territorien immer wieder bereiste.
Die Spur der Indianer
Diese Fotografie ist gleich in mehrerlei Hinsicht symptomatisch für das Lebenswerk von Curtis.
Zum einen handelt es sich dabei nicht um einen Papier-, sondern um einen Goldton-Glasabzug, ein Verfahren, das Curtis zu seinem Markenzeichen machte. Dabei wird das Negativ au eine Glasplatte projiziert, fixiert und mit einer Mischung aus Bananenöl und Bronzepuder hinterlegt, um Licht- und Schattenstrukturen deutlich hervortreten zu lassen. Curtis selbst vergleicht die Wirkung mit dem Schillern nasser Kiesel am Ufer eines Waldbachs, die Licht und Farben der Umgebung lebensvoll reflektieren. Papierabzüge seien im Gegenzug so leblos wie die grauen Kiesel, wenn sie einmal getrocknet seien.
Das spezielle Verfahren kam vor allem bei einem Großprojekt zum Tragen, das bis heute mit Curtis’ Namen verbunden ist: 1906 erhielt er von Großbankier John Pierpont Morgan den Auftrag, eine umfassende Bilderserie über die Indianer Nordamerikas zu erstellen. Zwei Jahrzehnte lang bereiste er die zu jener Zeit bereits im Verschwinden begriffenen Regionen, in denen Indianer noch in ihrer ursprünglichen Kultur lebten, und publizierte unter dem Titel “The North American Indian” 40.000 Fotografien in 20 Bildbänden. Das Mammutwerk kann in der Online-Bibliothek der Northwestern University komplett eingesehen werden.
Bald nach Erscheinen des letzten Bandes in den 1930er Jahren geriet das gewaltige Werk in Vergessenheit, wurde aber in den 1960er Jahren von Anthropologen wiederentdeckt und gilt seither als einzigartiges Zeugnis von indianischer Kultur und Spiritualität. Es inspirierte auch das “Red Power Movement”, das seit fünfzig Jahren für die Rechte der amerikanischen Ureinwohner eintritt.
Die Magie des Orients
Pioniergeist prägte auch die Künstler, die hinter jenen 97 Reisefotografien stehen, die gemeinsam mit einer bemalten Holzschatulle mit Ägypten-Motiven angeboten werden (Schätzpreis: 600 Euro). Sämtliche Aufnahmen stammen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert, als die Technik der Fotografie noch in den Kinderschuhen steckte und auch eine Reise in den Orient mit vielen Gefahren und Unwägbarkeiten verbunden war. Die Aufnahmen stammen unter anderem von Luigi Fiorillo, Felix Bonfils und den Brüdern George und Constantine Zangaki.
Fiorillo (1847 – 1898) entfaltete seine fotografischen Aktivitäten ab 1870 vor allem in Nordafrika – in Algerien, Palästina, später in Eritrea und Ägypten, wo er in Alexandria auch ein Studio eröffnete und zum Hoffotografen von Prinz Mohammed Toussoun Pasha ernannt wurde. 1890 gründete er mit einem Kompagnon das Studio “Marques & Fiorillo” in Assuan, das Dank Fiorillos Sohn Federico auch nach seinem Tod bis in die 1920er Jahre weiterbestand.
Auch Felix Bonfils (1831 – 1885), eigentlich gelernter Buchbinder, etablierte sich im Nahen Osten mit einem Fotostudio vor Ort. 1864 eröffnete er in Beirut das erste professionelle Fotostudio, das es in der gesamten Region gab, die “Maison Bonfils. Mit seinem genauen Blick auf antike Stätten, Landschaften und die Bevölkerung machte er sich rasch einen Namen. Bei seiner Arbeit wurde er von seiner Frau Marie Lydie und seinen Sohn Adrien unterstützt – was es heute schwierig macht, die Urheberschaft der Bilder aus der “Maison Bonfils” festzulegen. Wie es scheint, hatte sich Félix Bonfils eher auf historische Orte und Landschaften konzentriert, während sich seine Frau Lydie auf Porträts spezialisierte. Adrien widmete sich vor allem religiösen Motiven. Auch dieses Studio bestand, getragen durch Witwe und Sohn, auch nach Felix Bonfils Tod weiter; ausgewählte Fotografien des Hauses wurden um 1900 von der Firma Photochrom Zürich als farbige Photochromdrucke herausgegeben.
Über das Leben der in den 1870er bis 1890er Jahren als Fotografen tätigen Brüder George und Constantine Zangaki (auch Adelphoi Zangaki) ist wenig bekannt. Beide arbeiteten von Port Said und Kairo aus, und reisten mit einer zur Dunkelkammer umgebauten Pferdekutsche den Nil entlang, um Monumente, Landschaft, Menschen und Ereignisse zu dokumentieren. Ihre Bilder fanden bei den wohlhabenden Europäern, die in Scharen zu den Ägyptischen Sehenswürdigkeiten pilgerten reißenden Absatz; heute zählen ihre Bilder zu den schönsten Zeugnissen, die es aus dem Ägypten der spätviktorianischen Ära gibt.