38. Kunstauktion / Gemälde 19. u. 20. Jhd.: Englisches Landleben, griechische Moderne
Zu den Highlights bei den Gemälden des 19. Jahrhunderts gehören in der 38. Kunstauktion zwei Gemälde aus völlig unterschiedlichen künstlerischen Umfeldern: zum einen eine Landschaftsszenerie mit Schafen aus der Hand des Engländers Thomas Sidney Cooper (1803 – 1902), der die Darstellung landwirtschaftlicher Nutztiere zu einer nie gekannten Blüte trieb, zum anderen eine Mutter mit Kind des Griechen Nikolaos Lytras, der in der Malerei seines Heimatlands entscheidend zur Herausbildung einer Bildsprache im Sinn der klassischen Moderne beitrug.
Thomas Sydney Cooper: vom Kutschenanstreicher zum Wohltäter
Als Thomas Sydney Cooper 1803 in Canterbury auf die Welt kam, sprach wenig dafür, dass er einmal einen künstlerischen Beruf ergreifen würde können. Dazu waren die Verhältnisse, aus denen er stammte, viel zu bescheiden. Dennoch zeigte der Junge so großes künstlerisches Talent, dass man ihn als Zwölfjährigen immerhin nicht ungelernt in irgendeinem Betrieb schuften ließ, sondern zu einem Kutschenmaler in die Lehre gab. Acht Jahre lang pinselte er Schutzanstriche auf die Metallbeschläge von Karrossen und Fuhrwerken, arbeitete zwischenzeitlich auch als Bühnenmaler, dann ging er nach London.
Zunächst studierte und zeichnete er auf eigene Faust die Antiken im British Museum, dann wurde er doch noch zum Kunststudium an der Royal Academy zugelassen. Später übersiedelte er nach Brüssel, wo er bei Eugène Joseph Verboecken seine Fähigkeiten als Landschaftsund Tiermaler perfektionierte und sich mit der niederländische Malerei des 17. Jahrhunderts beschäftigte.
Deren typischer, tiefgezogener Himmel prägt nicht nur das vorliegende Gemälde „Schafe auf der Weide“, sondern auch viele andere Darstellungen landwirtschaftlicher Nutztiere, mit denen Cooper ein Vermögen erwarb. Seinem deshalb kursierenden Spitznamen „Kuh-Cooper“ zum Trotz war der bis ins hohe Alter aktive Maler nicht nur ein vielgeehrtes Mitglied der Royal Academy, sondern auch ein Wohltäter seiner Heimatstadt Canterbury. Dort stiftete er mehrere Armenhäuser und auch eine Kunstgalerie, in der bis heute Ausstellungen abgehalten werden.
Ein Wegbereiter der griechischen Moderne
Nikolaos Lytras (1883 – 1927) repräsentiert auf der einen Seite noch die Tradition, in der die griechische Malerei im 19. Jahrhundert stand: Wie auch sein Vater Nikiforos Lytras hatte Nikolaos in München studiert, jener Kunststadt, der Athen seit der Entsendung des bayerischen Prinzen Otto nach Griechenland im Jahr 1832 eng verbunden war.
Doch zugleich gehört Nikolaos Lytras auch zu jenen Malern, die der Kunst seines Heimatlandes während und kurz nach dem 1. Weltkrieg den Weg in die Moderne wiesen. Mit Gleichgesinnten gründete er 1917 die „TechniGruppe“, die sich zum Ziel gesetzt hatte, mit der akademischen Malerei, vor allem aber mit dem Stil der „Münchner Schule“ zu brechen.
Die Gruppe veranstaltete nur zwei Ausstellungen: Eine 1917, die zum Zeichen des Bruchs mit der akademischen Tradition in den Redaktionsräumen einer Zeitung stattfand, eine zweite 1919 in der avantgardistischen Galerie la Boétie in Paris. Beide wurden vom griechischen Premierminister Eleftherios Venizelos eröffnet, der sich für die Erneuerung der Kunst seines Heimatlandes vehement einsetzte. Doch Umbrüche des 20. Jahrhunderts ließen die Künstler der „TechniGruppe“ bald in Vergessenheit geraten. Eine Ausstellung im Byzantinischen Museum in Athen, aber auch das vorliegende Ölgemälde „Mutter mit Kind“ laden ein, sich mit diesem spannenden Kapitel griechischer Kunstgeschichte erneut zu beschäftigen.
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