Franz Seidel, Scheublein, Auktion, München

Ausstellung: Franz Seidel als Maler und Schriftsteller

Noch bis zum 24. Juli ist in unseren Räumen im Vorderhaus die Ausstellung “Franz Seidel: Maler – Poet – Grenzgänger” der Forschungsstelle August Seidel zu sehen (täglich, auch am Wochenende, von 10 bis 18 Uhr, Donnerstag bis 20 Uhr). Doch dabei steht nicht nur das malerische Werk des Bruders von August Seidel im Blickpunkt, sondern auch desssen literarisches Schaffen: Seidel schrieb Reisetagebücher und einen stark autobiographisch geprägten Briefroman. Beide Werke wurden anlässlich der Ausstellung neu aufgelegt; am Donnerstag, 19.7., gibt es um 18 Uhr eine Lesung.

Spiegel des eigenen Lebens

Der Briefroman “Ästhetische Erinnerungsblätter meiner jugendlichen Freiheitskämpfe” spiegelt eine Situation, in der sich Franz Seidel (1818 – 1903) selbst befand: Der gut verdienende Vater Jakob Seidel, ein General-Postadministrations-Revisor, stirbt, als Franz Seidel vier Jahre alt ist. Sein Tod stürzt die Mutter und die insgesamt drei Söhne in fortdauernde Armut. Dennoch ermöglicht die Mutter mit Hilfe eines Stipendiums allen drei Kindern den Besuch des Gymnasiums. Der hochbegabte Franz schreibt Bestnoten, und studiert nach dem Abitur 1836 zunächst Jura. Alle hoffen auf eine brillante Karriere. Doch Franz entscheidet sich anders: Für das Studienjahr 1841/1842 immatrikuliert er sich nicht mehr, sondern schreibt sich stattdessen  an der Akademie der Bildenden Künste ein.

Franz Seidel, Scheublein Art & Auktionen, München, Ausstellung

Franz Seidel, Kuhhirten. Schwarze Kreide / bräunliches Papier, weiß gehöht.

Am Scheideweg

Diesen Scheideweg zwischen Juristenkarriere und Künstlerberuf beschreibt Seidel auch in seinem Briefroman, den er weniger als zwei Jahre vor seinem eigenen Wechsel auf die Akademie der Bildenden Künste verfasst. Anders als seinem Helden, der am Antagonismus von Kunst und Leben zerbricht, gelingt Franz Seidel vorerst eine Lösung durch die Entscheidung für die Kunst. Das im Roman skizzierte Unglück holt ihn erst als reifen Künstler ein – Franz Seidel vollendet nach den 1870er Jahren kein Bild mehr, er scheitert an seinen eigenen Idealvorstellungen, zerstört fertige Werkeund fällt zunehmend in geistige Umnachtung. 1903 stirbt er als “Misanthrop” im Münchner Nikolaispital. Dieses traurige Ende nimmt Seidel in seinem Briefroman vorweg. In der Schlussbetrachtung heißt es, dass die Kunst “(…) unsern Freund vorbildlich schon der Erde entrissen hatte, worauf er nie recht heimisch war”.

Franz Seidel, Ausstellung, Scheublein Art & Auktionen, München

Franz Seidel, Landschaft mit Blick auf den Jochberg, Öl / Leinwand. 

Reisebeschreibungen aus Oberbayern

Um einiges heiterer sind Seidels “Erinnerungen meiner Reisefreuden”, die ebenfalls anlässlich der Ausstellung neu aufgelegt wurden. Sie entwickeln auch für den heutigen Leser großen Charme, weil in ihnen viele auch heute noch beliebte Ausflugsziele in Oberbayern beschrieben werden, u.a. der Starnberger See, das  Chiemgau, Garmisch, Spitzing- und Kochelsee. Aus den Texten spricht eine erfrischend jugendliche Freude und Sichtweise, und zugleich das verklärende Auge eines Landschaftsmalers des mittleren 19. Jahrhunderts.

Franz Seidel, Ausstellung, Scheublein Art & Auktionen, München

Franz Seidel, Schäfer bei aufziehendem Sturm, Öl/ Leinwand. 

So schreibt er über einen Tag am Staffelsee: “Der Staffelsee, nur einige Schritte von Murnau entfernt, zeigte sich uns abends in einer überraschenden Beleuchtung. Der ganze Tag war trübe gewesen, gleichgültig fuhren wir auf dem See herum, mehr mit der Kurzweil des Ruderns beschäftigt, als mit der Gegend. Nun brach aber plötzlich die Abendsonne hinter den Wolken hervor und strahlte wieder im ruhigen Gewässer, die westlichen Berge in Glanzduft hüllend; links kontrastierte ein dunkler Tannenwald, noch dunklerer Widerschein im see und das gründämmernde Uferschilf im Vordergrunde malerisch mit dem übrigen Glanze. Es war wie eine unerwartete Freude nach langer Trauer. Auf einem Scheiterhaufen am Ufer sitzend vergnügten wir uns hieran bis zur späten Dämmerung, und in der ergreifenden Stille hörten wir nur manchmal das Gelächter und Geplätscher einiger badender Bauernkinder.”

 

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