Im Blickpunkt am 19. März: Joan Mirós “Tête flèche”

„Die Radierung ist für mich ein wichtiges Ausdrucksmittel. Sie war ein Mittel zur Selbstbefreiung, Erweiterung und Entdeckung, selbst wenn ich zu Beginn Gefangener ihrer Einschränkungen, (…) ihrer Werkzeuge und ihrer von der Tradition abhängigen Rezepte war. Ich musste ihr widerstehen, sie überflügeln. Ein unermessliches Feld von Möglichkeiten bot sich nun meinem Blick und meiner Hand dar“, schreibt Joan Miró Anfang der 1950er Jahre.

Mirós Lebenstraum

Tatsächlich entdeckte der katalanische Surrealist (1893 – 1983) Druckgraphik erst relativ spät als künstlerisches Ausdrucksmittel, nicht zuletzt, um sich durch die mit dem Verkauf graphischer Blätter erzielbaren Einnahmen einen Lebenstraum zu erfüllen: Ein Atelier, das groß genug war, um mehrere Leinwände gleichzeitig aufzustellen, um auch einen Bereich für keramische Arbeiten einzurichten und eine Druckerpresse zu installieren.

Fruchtbares Spätwerk

1956 wurde dieser Wunsch mit seiner Villa auf Mallorca Wirklichkeit. Doch auch zur immensen Popularität von Mirós Werk trug das vor allem nach dem zweiten Weltkrieg entstandene, umfassende und bedeutende graphische Werk maßgeblich bei. Die durch das neue Atelier ungewohnt freizügigen Arbeitsmöglichkeiten führten zu einem immens vielschichtigen und fruchtbaren Spätwerk gerade auch im Verlauf der 1960er Jahre, das Miròs markante Formensprache mit zeitgenössischen Tendenzen der Kunst verbindet.

Der “Tête flèche”

Das vorliegende Blatt „Tête flèche“ („Pfeil-Kopf“) von 1968 ist ein sehr typisches Beispiels für diese Herangehensweise: Die Caborundum-Technik, in der der Hintergrund gearbeitet ist, ermöglicht es, zufallsbasierte Dripping-Effekte, wie sie Mirò bei den abstrakten Expressionisten beobachtete, auch in das Medium der Graphik zu übertragen. Über diesen Fond legt sich die fast kalligraphisch anmutende Formen-Komposition. „Formen realisieren sich, während ich arbeite“, schreibt Miró. „Mit anderen Worten: Ich plane nicht, etwas Bestimmtes darzustellen, sondern ich beginne. Und während ich arbeite, kommt das Bild zum Ausdruck beziehungsweise es drängt sich mir (…) auf.“

Phantasie und spontane Eindrücke

Sein Form-Vokabular, so der Kunsthistoriker Achim Sommer, deutet Miró mit jeder neuen Ausgangssituation anders, die Einsatzmöglichkeiten von Formen öffnen sich; deren Bedeutung wird oft nur vom jeweiligen Kontext determiniert. Auch der Betrachter auch des vorliegenden „Tête flèche“ ist seiner Phantasie und seinen spontanen Eindrücken überlassen; keine festgeschriebene Interpretation engt ihn bei der Beschäftigung mit dieser spannungsreichen Komposition ein. Das Blatt wird zu einem Schätzpreis von 6.000 Euro angeboten.

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