Highlights der Auktion am 18. September (III): Eine neapolitanische Krippe

Die Engel sollten himmlische Schönheit atmen, und das heilige Paar sollte zur höchsten Andacht stimmen“, schreibt Rudolf Berliner in seinem Standardwerk zur Geschichte der Weinhnachtskrippe über die Krippen Neapels – und das, obwohl diese auf den ersten Blick alles andere als still und beschaulich wirken. Denn breiten Raum nimmt, neben dem Heiligen Geschehen, auch das quirlige Alltagsleben in der süditalienischen Metropole ein.  Auch die vielfigurige neapolitanische Krippe, die SCHEUBLEIN Art & Auktionen in seiner September-Auktion anbietet, zeichnet hiervon ein eindrucksvolles Bild.

Die neapolitanische Krippe: Resultat jahrzehntelanger Sammlertätigkeit

Über Jahre hinweg wurden das Ensemble aus 51 Figuren, vielen Tieren und Accessoires sowie diversen originalen Hintergrundelementen von einem privaten Sammler über Jahre mit großem Qualitätsbewusstsein und viel Liebe zum Detail in detektivischer Kleinarbeit zusammengetragen. Die Elemente stammen überwiegend aus dem 20. Jahrhundert, sind aber samt und sonders handwerklich hergestellt und fußen in der großen Tradition der neapolitanischen Presepe, wie sie sich zwischen ca. 1750 und 1780 herausbildete.

Der Anfang der neapolitanischen Krippentradition

Anders als in den nördlich der Alpen gelegenen Zentren der Krippenkultur spielte die Kirche als Auftraggeberin in Süditalien keine große Rolle. Es war der Adel, der sich zunächst von Malern und Bildhauern, später auch von spezialisierten Handwerkern aufwendig gestaltete Szenerien anfertigen ließ. Sie gaben neben dem Heiligen Geschehen rund um die Geburt Christi auch Alltagsszenen wieder, die bis heute den Verhältnissen im ausgehenden 18. Jahrhundert verpflichtet sind. Selbst die Trachten der Figuren orientieren sich stets an der Mode dieser Zeit. Sogar der vom königlichen Hof organisierte Karnevalsumzug des Jahres 1778, der unter dem Motto „Die Rückkehr des Großsultans aus Mekka“ stand, fand in Form der Janitscharenkapelle seine Verewigung im Krippengeschehen.

Lebenswimmelnde Szenen

Hier ist‘s eine Folge dramatischer Vorstellungen, welche von der Geburt an, bis zu der Gabendarbringung der Weisen aus dem Morgenland, sich in eine Reihe von buntabwechselnden, lebenswimmelnden Szenen durch den ganzen Stock eines Hauses erstreckt und oft zum Fenster, ja zu der zu diesem frommen Endzweck durchbrochenen Mauer des Hauses hinausdehnt, wo die Zauberwelt in einer reizenden Perspektive auf den Golf von Neapel (…) endet“, schreibt die Kopenhagener Schriftstellerin und Salonière Friederike Brun (1765 – 1835), die zwischen 1795 und 1810 immer wieder nach Süditalien reiste.

Neapolitanische Krippe Neapel Auktion München Scheublein

In ihrer ganzen Breite und Lebendigkeit: Die mit einem Schätzpreis von 40.000 Euro angesetzte Krippe umfasst neben Heiliger Familie und den Heiligen Drei Königen gleich mehrere Volksszenen.

Könige und Maroni-Röster

Sämtliche dieser drei für neapolitanischen Krippen essenziellen Motivkreise – das eigentliche Geburtsgeschehen mit der Verkündigung an die Hirten, die mit Alltagsszenen ausgeschmückte Anbetung des Volkes sowie der Zug der drei Weisen – sind auch in der vorliegenden Krippe erzählfreudig ausgeführt: Die Hirten kommen mit Schafen und Ziegenböcken, Lederkappen und Sackpfeifen zur Geburtsstätte gezogen. Die Heiligen Drei Könige haben neben Gold und Geschmeide auch erlesene Früchte – und die obligatorische, neunköpfige Kapelle – mit im Gepäck. Und das Volk von Neapel prasst in der mit ganzen Schinken behangenen Herberge, feilscht an einem Marktstand um Brot und Käse oder wärmt sich am Feuerkessel eines Maroni-Rösters.

Authentisches Alltagsleben

Als die neapolitanische Krippentradition vor über 200 Jahren entstand, war das Ziel einer derartigen Krippe, zu verdeutlichen, dass sich das weihnachtliche Heilsgeschehen nicht nur vor langer Zeit an einem weit entfernten Ort zugetragen hat, sondern dass es die Menschen überall und mitten in ihrem alltäglichen Tun berührt und verändert. Die Schaulust, die Krippen wie die vorliegende mit ihrer Vielzahl liebevoll gestalteter Einzelszenen befriedigen, ist heute, aller modernen Medien zum Trotz, nicht kleiner als vor zweihundert Jahren. Hinzu kommt, dass wir aus heutiger Perspektive diese Krippen zugleich Zeugnis einer tief verwurzelten, religiösen Volkskunst wahrnehmen können wie auch als authentisch wirkendes Abbild des neapolitanischen Alltagslebens zur Goethezeit.

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