Louis Vuitton Auktion München Scheublein

Highlights Herbstauktion (III): Von den Anfängen der Reiselust – Louis Vuitton und Edward Compton

Zwei Lose bei Gemälden und Einrichtung entführen in eine Zeit des nie gekannten Aufbruchs und der Reiselust: Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wurden nicht nur die Alpen umfassend erkundet und bestiegen. Dank der Etablierung der innovativen Verkehrsmittel Eisenbahn und Dampfschiff wurde auch der Ferntourismus, vor allem nach Nord- und Südamerika sowie zu den exotischen Zielen der britischen und französischen Kolonialreiche geboren.

Edward Theodore Compton: Erweckungserlebnis am Thuner See

Beide dieser zeitgleichen Entwicklungen sind in der Herbstauktion von SCHEUBLEIN Art & Auktionen vertreten: Für den aufblühenden Alpinismus steht eine  auf 9.000 Euro geschätzten Ansicht der Mischabelgruppe im Wallis von Edward Theodore Compton (1849 – 1921). Dieser hatte als 19-jähriger während einer Überfahrt über den Thuner See eine Art Erweckungserlebnis: Aus dem eigentlich dichten Nebel strahlten plötzlich die Silhouetten von Eiger, Mönch und Jungfrau hervor; schlagartig wusste der junge Mann, dass er Bergsteiger und Bergmaler werden wollte.

Briten in den Bergen

Beides stand zu dieser Zeit hoch im Kurs: Briten waren es, die in den zurückliegenden 15 Jahren die wichtigsten Gipfel der Westalpen erobert hatten. Und die romantischen Landschaftsmaler, die auf der Insel beheimatet waren, liebten die sublime Naturgewalt, die sich an gewaltigen Felstürmen, Schluchten und schroffen Gipfeln offenbarte. Allerdings kannten sie ihre Motive nur von unten, suchten vor allem die künstlerische Wirkung – und nahmen es deshalb mit der topographischen Präzision nicht allzu genau.

Compton Auktion Scheublein München

Edward Theodore Compton: Mischabelgruppe im Wallis. Öl auf Lwd., 73,5 x 99 cm. Schätzpreis 9.000 Euro.

Ansicht und Präzision

Compton, der mit seinen Eltern bereits 1867 nach Deutschland gekommen war, gelang es, beides zu verbinden. Er unternahm unzählige Reisen durch die Alpen und ausgiebige, teils waghalsige Bergtouren, die ihm auch zur Möglichkeit verhalfen, sowohl die topographischen Gegebenheiten wie auch den Wandel der Wetter- und Lichtverhältnisse an seinen liebsten Motiven genau zu studieren. Bald wurden seine Bergdarstellungen wegen ihrer Präzision ebenso geschätzt wie wegen der eindrucksvollen Naturstimmung, die sie einfingen.

Auch die vorliegende, auf 9.000 Euro geschätzte Ansicht der Mischabelgruppe im Wallis – nach dem Mont-Blanc-Massiv und dem Monte Rosa dem dritthöchsten Gebirgsmassiv der Alpen – ist mit der leichten Nebelverschleierung über den Wiesen, dem dramatischen Spiel der Wolken und dem durch die Schneefelder reflektierten gleißenden Sonnenlicht ein eindrucksvolles Beispiel dafür.

Louis Vuitton: Immer seiner Zeit voraus

Ein ganz anders gearteter Zeugnis der im späten 19. Jahrhundert um sich greifenden Reiselust ist ein Überseekoffer aus dem Hause Louis Vuitton (ganz oben, Taxe 4.000 Euro). Wegen der innen auf einem Klebeetikett angebrachten Produktionsnummer 20484, aber auch wegen der Bespannung mit gestreiftem Stoff noch ohne das berühmte LV-Muster ist davon auszugehen, dass der Koffer aus der Zeit vor 1896 stammt.

Kontakte sind alles

Firmengründer Louis Vuitton ( 1821 – 1892) war es bereits 1854 nach Eröffnung seines ersten Geschäfts gelungen, sich als absolut führend in der Branche zu etablieren. Das lag nicht nur an seiner fundierten Ausbildung als Täschner und der langjährigen Praxis bei einem exzellenten Kofferhersteller. Vuitton brachte zudem die Fähigkeit mit, seiner Zeit immer ein Stückchen voraus zu sein. Hilfreich hierzu war auch seine Stellung als persönlicher Koffermacher  von Kaiserin Eugenie: Bei ihr lernte er bis ins Detail die Reisegewohnheiten und Bedürfnisse der hochadeligen und hochvermögenden Klientel kennen.

Und er knüpfte auch gute Verbindungen beispielsweise in die Welt der Haute Couture. Modeschöpfer Charles Frederick Worth etwa wies ihn auf den bevorstehenden Wechsel von der Krinoline zu schmaleren, nach hinten ausladenden Tournüren hin. Vuitton war klar, dass damit auch die extrem voluminösen Koffer der frühen 1860er Jahre auf einen Schlag altmodisch würden und ließ beizeiten handlichere, auf die neue Mode zugeschnittene Gepäckstücke anfertigen.

Neues Gepäck für eine mobile Oberschicht

Ebenfalls erkannte er früh, in welchem Ausmaß das Aufkommen von Eisenbahn und Dampfschiffen dem Ferntourismus gehobener Schichten Vorschub leisten würden. Als die ersten Kunden mit entsprechenden Anfragen kamen, standen die hierzu nötigen Koffer schon bereit: Auf der einen Seite robust genug, um von Packern und Kränen im großen Stil verladen zu werden und jedweden klimatischen Einflüssen standzuhalten, zum anderen aber auch so detailfreudig ausgestattet, dass die damals übliche, vielfältige Reisegarderobe komfortabel und knitterfrei verstaut werden konnte. Der vorliegende Überseekoffer aus dem späten 19. Jahrhunderts ist ein frühes Beispiel für speziell auf lange Schiffsreisen zugeschnittenes Gepäck.

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