Im Blickpunkt am 1. Juli (II): Eine Zeichnung des Trajansforums um 1575

Die vorliegende, auf 1.600 Euro geschätzte Federzeichnung „Das Trajansforum in Rom mit der Trajanssäule“ spiegelt einen span­nenden Abschnitt römischer Stadtge­schichte. Denn sie entführt ins späte 16. Jahrhundert – eine Zeit, in der das Zentrum der Antiken Welt und der katholischen Christenheit nach seinem Niedergang während des Schisma zwar langsam wieder mehr Bedeutung erlangte, in seinem kulturellen und politischen Ein­fluss aber noch immer hinter Zentren wie Florenz oder Mailand zurückstand.

Ein Überblick über das Trajansforum. Am linken Bildrand sind die auf der vorliegenden Zeichnung dargestellten Bauwerke erkennbar: die Kirche Sta Maria di Loreto und die Trajanssäule. Foto: wikipedia / Wolfgang Moroder

Am Trajansforum: Eine Spurensuche

Aufgrund der baulichen Situation auf und rund um das Trajansforum, das letzte und prächtigste der als Erweiterung des Forum Romanum ab 54 v. Chr. angelegten Kaiserforen, kann die vorliegende Darstellung zeitlich präzise eingeordnet werden: Zum einen trägt die monumentale, 112/113 n. Chr. zu Ehren der militärischen Erfolge Kaiser Trajans errichtete Säule noch nicht die 1587 auf ihr platzierte Säule des Petrus. Zum anderen bietet auch der im Hintergrund gezeigte Kirchenbau klare Anhaltspunkte: Es handelt sich um Santa Maria di Loreto, erbaut ab 1522 nach Ent­würfen von Antonio da Sangallo d.J. Auf der Zeichnung gezeigt ist die zwischen 1565 bis 1573 entstandene Kuppel, die hier aber noch keine Laterne trägt.

Sta Maria di Loreto mit der Trajanssäule und der im 18. Jahrhundert erbauten Zwillingskirche Santissimo Nome die Maria. Foto: Carlomorino / Wikipedia

Detailansicht der Fassade von Sta Maria di Loreto mit Kuppel und Laterne.

Mit großer Wahrscheinlichkeit benutz­te der französische Radierer Etienne du Pérac (1520 – 1604) die vorliegende Zeich­nung als Grundlage für den 1575 in seinem Sammelwerk „I vestigi dell‘antichità di Roma“ erschienenen Stich.

Zerfall und Neubeginn

Aus diesem, vor allem aber aus der vorlie­genden Zeichnung lässt sich eine Haltung ablesen, die die Kunsthistorikerin Marlise Hoff als typisch für den Blick französischer und flämischer Künstler auf die städte­bauliche Situation Roms und sein zerfal­lendes antikes Erbe identifiziert. „Befreit von seinem funktionalen Wert als Bau­material oder Studienobjekt wurde das antike Fragment bewusst und betont als Ruine (…) dargestellt“, schreibt sie, „und auch mit entsprechendem symbolischem Gehalt aufgeladen.“ Im Vergleich zu vielen anderen Monumenten ist die Trajanssäule im ausgehenden 16. Jahrhundert immer noch gut erhalten. Doch auch hier zeigt der Urheber der Zeichnung den „Zahn der Zeit“: Nur ein Teil des Säulensockels wurde freigelegt, der Rest ist noch von den Sedi­menten vieler Jahrhunderte bedeckt. Nahezu wuchtig wirkt demgegenüber der Neubau der Kirche, fast so, als wolle die neue Baukunst und damit das neu entstehende, manieristisch-barocke Rom das fragile Erbe der Antike mit Gewalt übertrumpfen.

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