Im September im Blickpunkt: Glas von Loetz Witwe und aus dem Dresdner Hofschatz
Vier irisierende Glasobjekte (Kat.-Nr. 197 bis 200) repräsentieren nicht nur die absolute Blütezeit der im Böhmerwald gelegenen Glashütte Johann Loetz Witwe. Sie zeigen auch beispielhaft, wie es einem bestehenden Großbetrieb gelang, sich in der zunächst vor allem von einzelnen, herausragenden Künstlerpersönlichkeiten geprägten Stilwelt des Jugendstil einen eigenen Standpunkt zu erarbeiten. Geschickt versuchte die um 1890 weit über 50 Mitarbeiter umfassende Manufaktur gar nicht erst, die ganze Bandbreite an neuen Impulsen, die die Schöpfungen von Emile Gallé und Louis Comfort Tiffany aussandten, aufzunehmen und für ein gehobenes, aber nicht auf absoluten Luxus bedachtes Publikum umzusetzen. Stattdessen wurden gezielt einzelne Aspekte herausgegriffen, die eigenen, bereits vorhandenen Spezialisierungen nahekamen und die man in einer ganz eigenen Designsprache weiterentwickeln konnte.
Der Einfluss von Tiffany auf das Glas von Loetz Witwe
Eine Ausstellung von Tiffany-Glas 1897 in Wien beispielsweise war für die nächsten Produktionsjahre bei Johann Loetz Witwe dahingehend stilprägend, als man dort die Möglichkeit hatte, Tiffanys Arbeit mit irisierenden und metallischen Effekten zu studieren. Für diese Technik beherrschten die Glasexperten in der böhmischen Manufaktur bereits entscheidende Grundlagen; nun wurden diese Kenntnisse ausgeweitet und verfeinert. Ab 1898 gelang es mit silber- und zinnhaltigen Glassorten sogar, Irisflächen von unterschiedlicher Leuchtkraft und Reflexionsstärke innerhalb eines einzigen Werkstücks zu vereinigen.
Die jahrzehntelange Erfahrung, auf die die böhmischen Kunsthandwerker zurückgreifen konten, paarte sich, wie der Kunsthistoriker und Glas-Experte Helmut Ricke in einer Loetz-Monographie darlegt, mit profundem Formverständnis und einem untrüglichen Gespür für die Bedürfnisse des Zielpublikums.
Ricke vergleicht in seinem Aufsatz ein Ziergefäß in Form eines Rosenwassersprinklers von Louis Comfort Tiffany mit einem Pendant von Loetz Witwe, wie es auch bei SCHEUBLEIN vorliegt (Kat-Nr. 198): „Tiffany sucht, in enger Bindung an das Vorbild, die Feinheit und vollendete Linienführung des persischen Glases zu erfassen. Bei Loetz bildet die überlieferte Form dagegen lediglich die Basis für eine eigenständige neue Gestaltung. An die Stelle von erlesener Eleganz tritt die Dynamik einer Verformung unter Druck. (…)
Moderne für den Bürger
Die Ziergefäße aus Klostermühle waren in erster Linie Objekte, mit denen ein gutsituiertes, den künstlerischen Bestrebungen seiner Zeit gegenüber aufgeschlossenes bürgerliches Publikum seiner häuslichen Umgebung (…) eine Überhöhung durch Schönheit zu vermitteln suchte. Doch ist es keinesfalls gerechtfertigt, Wirkung und Rang der Loetz-Gläser nur auf ihren künstlerischen Wert zu reduzieren. In Ausdruckslage und Einzelmotiv haben auch sie teil an den großen Strömungen einer Zeit, die das Glas als ideales Medium für die Gestaltung vom Wesen und Wirken der Natur erkennt.“
Zwei Karaffen aus dem Dresdner Hofschatz
Von der enormen Qualität der Gold- und Silberobjekte, die im Dresden des 19. Jahrhunderts gefertigt wurden, legen nicht nur die vorliegenden zwei Karaffen in rotem Glas und Silber Zeugnis selbst ab. Auch der Kundenkreis der Werkstatt, in der sie gefertigt wurden, spricht diesbezüglich Bände: Sie stammen aus dem Atelier von Moritz Elimeyer (1810 – 1871), der nicht nur den Rang eines königlich-sächsischen Hofjuweliers bekleidete, sondern auch als Hofjuwelier der Königin von England sowie der Herzöge von Sachsen-Coburg-Gotha fungierte.
Königliche Kunden, aber kein Meisterbrief
Bereits 1836 hatte sich der versierte Goldschmied um den Titel königlicher Hofjuwelier beworben und diesen auch erhalten – entgegen dem Protest der anderen Handwerksmeister, die verhindern wollten, dass ein Jude in diesen Kreis aufrückt. Ein eigener Meisterbrief allerdings blieb Elimeyer wegen seiner Religionszugehörigkeit ein Leben lang verwehrt; hier musste er stets einen von der Innung geprüften Meister als Werksführer seines Ateliers beschäftigen, obwohl er auch selbst alle Anforderungen an einen Juweliers- und Goldschmiedemeister glänzend erfüllte.
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