Im Blickpunkt am 30. Juni: Die “Rote Nymphenburger Jagd” und die “Blaue Nymphenburger Jagd”

Zu den Highlights bei der Auktion am 30. Juni zählen zwei fast vollständig vorliegende Jagdensembles aus der Porzellanmanufaktur Nymphenburg, die “Rote Jagd” und die “Blaue Jagd”.

Sie markieren eine Kehrtwende in der Geschichte des Nymphenburger Porzellans und stehen für eine der zentralen Strategien von Alfred Bäuml (1855 – 1929), die von ihm 1888 übernommene und reichlich heruntergewirtschaftete Manufaktur zu neuem Glanz zu führen: Mit den Figuren der „Roten Jagd“ und der „Blauen Jagd“ entstanden um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert herum zwei Ensembles, die an das reiche Rokoko-Erbe Nymphenburgs anknüpften.

Die bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen vorliegende “Rote Nymphenburger Jagd”.

Ein wiederentdeckter Rokoko-Schatz

„Wir haben ja (…) zur Zeit insoferne eine günstige Konjunktur, als der jetzt in Mode befindliche Rococo-Stil für die Fabrikation in Porzellan ganz besonders geeignet ist (…). Die Ausführung (…) ist zwar mit erhöhten Schwierigkeiten verbunden, aber das Weiche und Süßliche dieses Stils macht die Arbeit lohnend und dankbar“, notierte Bäuml schon bald nach seinem Amtsantritt. Gerade an den beiden Jagd-Gruppen lassen sich auch die Probleme, auf die er stieß, gut ablesen: Auf der einen Seite gab es den unermesslichen Schatz der Figuren Bustellis und auch die 1800 in den Besitz Nymphenburgs übergegangenen Formen aus dem Bestand der Pfälzischen Manufaktur Frankenthal. Auf der anderen Seite hatten diejenigen, die die Geschicke Nymphenburgs im 19. Jahrhundert steuerten, die Bedeutung dieses Erbes kaum zu würdigen gewusst: Die Rokoko-Figuren wurden nicht mehr aufgelegt, deren Gussformen – Grundlage für eine weitere Herstellung – zerschlagen.

Beispiel für auf Rokoko-Originale zurückgehende Figuren: Waldhornbläser und drei Hunde, nach Entwürfen von Franz Anton Bustelli. Schätzpreis 350 Euro.

Zeitgenössische Ergänzung für die “Rote Jagd” und die “Blaue Jagd”

Als Bäuml die Fertigung von Porzellanfiguren aus dem 18. Jahrhundert wieder aufleben lassen wollte, musste er auf noch erhaltene Figuren zurückgreifen und auf dieser Basis neue Gussformen anfertigen lassen, die erst allmählich den Detailreichtum der ursprünglichen Figuren zurückbrachten. Zudem reichte der Bestand an noch vorhandenen Figuren nicht aus, um beispielsweise, wie es Bäumls Plan war, zwei komplette Jagdgesellschaften auszustatten, die „Rote“ und die „Blaue Nymphenburger Jagd“. Deswegen gab er, um das vorhandene Material zu ergänzen, bei den Porzellanbildnern Theodor Kärner und August Göhring, zusätzliche Figuren im Rokokostil in Auftrag. SCHEUBLEIN Art & Auktionen freut sich, eine weitgehend vollständige „Rote Jagd“ sowie eine große Gesellschaft der „Blauen Jagd“ anbieten zu können.

Barocke Jagdszenen

Beide reflektieren die im 18. Jahrhundert bei Hof übliche und überaus beliebte Parforce-Jagd, bei der die Jäger eine das Wild hetzende Hundemeute über weite Strecken durch den Wald begleiteten.

Die “Rote Jagd”

Drei Reiter aus der Roten Jagd. Nach Entwürfen von Theodor Kärner. Schätzpreis 800 Euro.

Das Ensemble der „Roten Jagd“ bildet im Wesentlichen den Moment ab, in dem das Wild gestellt und erlegt ist: Der Jagdcommandant (oben re.) weist den Weg zu dem Ort, an dem die Beute niedergefallen ist, die Hundeführer rufen ihre Tiere zur Ruhe, die Piqueure (unten rechts, oben Mitte, der Waldhornbläser weiter oben) stoßen in ihre in Frankreich speziell für diese Jagdform entwickelten Parforce-Hörner, um die weiteren Mitglieder der Jagdgesellschaft über den Standort zu informieren.

Hundeführer und zwei Reiter aus der Roten Jagd, teils nach Entwürfen von Theodor Kärner. Schätzpreis 700 Euro.

Die Reiter – darunter auch eine Jagdteilnehmerin im Damensitz, die die leidenschaftliche Reiterin Margarethe von Thurn und Taxis (1870 – 1955; unten li.) darstellt ­- zügeln bereits ihre Pferde und sitzen ab.

Jagdreiterin, Reiter und Falkner aus der Roten Jagd. Nach Entwürfen von Theodor Kärner. Schätzpreis 400 Euro.

Zwei Figuren, ein Falkner zu Pferd (unten li.) sowie ein weitere, stehender, der gerade dabei ist, seinen Greifvogel in die Luft zu entlassen (oben Mitte), repräsentieren die im 18. Jahrhundert ebenfalls sehr populäre Beizjagd, mit der auf die als besonders vornehme Beute geltenden Graureiher Jagd gemacht wurde.

Drei Reiter aus der Roten Jagd. Nach Entwürfen von Theodor Kärner. Schätzpreis 800 Euro

Reiter mit Hunden. Nymphenburg, nachFrankenthaler-Modell von Karl-Gottlieb Lück. Schätzpreis 350 Euro.

Die “Blaue Jagd”

Die bei SCHEUBLEIN vorliegenden Figuren der “Blauen Nymphenburger Jagd”

Die „Blaue Jagd“, deren Protagonisten im Stil der Hofjagduniformen unter Kurfürst Max III. Joseph gekleidet sind, zeigt einen späteren Moment: Das erlegte Wild ist bereits waidmännisch versorgt, die Hunde werden losgelassen, um ihren Anteil an der Beute zu bekommen.

Piqueur mit drei Hunden. Nach Entwurf von August Göhring. Schätzpreis 250 Euro

Die zuletzt eingetroffenen Jagdteilnehmer sitzen noch ab, die Dame in ihrem Jagdwagen  bleibt sitzen, denn bald wird sich die Gesellschaft auf den Heimweg machen.

Drei Reiter aus der Blauen Jagd. nach Entwürfen von August Göhring. Schätzpreis 250 Euro

Neben der lebensvollen und graziösen Gestaltung der Figuren ist diese immense Detailfreude ein weiterer Faktor, der diese Nymphenburger Jagdgesellschaften so faszinierend macht: Sie vermitteln von den Jagdgepflogenheiten zur Rokoko-Zeit, die sonst nur noch in historischen Gemälden überliefert sind, ein überaus anschauliches Bild.

Offene Kalesche mit Jägerin und Zugpferd. Nach Entwurf von August Göhring. Schätzpreis 800 Euro.

  • Kategorien

  • Beliebteste Beiträge