Im Blickpunkt am 28. Juni: Plakate von Ludwig Hohlwein
Drei Plakate aus der Frühzeit des legendären Plakatkünstlers Ludwig Hohlwein (1874 – 1949) bilden nicht nur das Highlight der Kategorie Graphik bei unserer Sommerauktion. Sie geben auch einen packenden Einblick in die Anfänge der Reklamekunst in München.
Im Unterschied zu anderen europäischen Metropolen konnte Plakatwerbung in München nur schwer Fuß fassen. Nach der ersten Litfaßsäule von 1881 wurden erst ab 1900 weitere Anschlagssäulen aufgestellt. Auch der Anspruch, Plakate seien nicht nur Reklame, sondern zugleich auch eine Möglichkeit, Kunst für jedermann zugänglich zu machen, bestand in der Stadt an der Isar bis zum Ersten Weltkrieg. Dies ist der Hintergrund, vor dem sich ab 1906 der Aufstieg des Gestalters und Innenarchitekten Ludwig Hohlwein zum „König des Plakatwesens“ abspielte.
Ludwig Hohlweins vielfältige Inspirationsquellen
Wie vielfältig die Quellen waren, von denen er sich zu seinen zum Teil bis heute verwendeten Motiven (etwa für den Tierpark Hellabrunn) inspirieren ließ, kann auch an den drei bei SCHEUBLEIN Art & Auktionen vorliegenden Graphiken abgelesen werden. Deren Entwürfe gehen auf die Jahre 1908 und 1909 zurück. Adressaten aller drei Plakate waren, wie bei den meisten Werken Hohlweins dieser Zeit, Vertreter des Großbürgertums.
“Münchner Zeitung”: Szenen einer Ehe
Bei der Reklame für die „Münchner Zeitung“ (oben, Schätzpreis 1.200 Euro) setzt er diese unmittelbar, aber mit leicht karikierendem Augenzwinkern und einer den englischen Arts & Crafts-Interieurs entlehnten Flächenaufteilung in Szene. Gleichzeitig behält er den in München noch lange populären Ansatz des „erzählenden“ Plakats bei: Der Betrachter sieht „Szenen einer Ehe“, samt all der unausgesprochenen Dialoge, die während der Zeitungslektüre im Raum stehen.
“Wilhelm Mozer”: Genuss mit Tradition
Bei dem Plakat für die Delikatessenhandlung Wilhem Mozer (Schätzpreis 400 Euro) appelliert Ludwig Hohlwein zunächst an den klassischen bürgerlichen Bildungskanon: Der gesamte Bildaufbau, vor allem aber der im Vordergrund gezeigte Hummer mit den angeschnittenen Zitronen erinnert an altniederländische Stillleben. Zum anderen bezieht er die moderne Bildauffassung der Secession mit ein: Er gestaltet sämtliche Gegenstände flächenhaft, mit starken Konturen und in kräftigen Farben. Das Bild, und somit auch das Angebot des Feinkosthändlers, wirkt somit zeitgemäß und nicht dem Gestrigen verhaftet.
“Café Odeon”: Ludwig Hohlweins Bild vom Luxus
Im Plakat für das Café Odeon (Schätzpreis 4.000 Euro) schließlich fließen gleich mehrere von Hohlweins klassischen Kunstgriffen zusammen: Zum einen zeigt er hier in einer erzählenden Szene das Leben der gehobenen Schichten nicht nur quasi „auf Augenhöhe“, er weckt auch gezielt die Sehnsüchte der nicht ganz so gut gestellten. Sport, Müßiggang, Bedienstete, die für das eigene Wohlergehen sorgen … all dies sollte ein Besuch im Café Odeon verheißen.
Gestalterisch besonders interessant ist das Karomuster der Weste: Es wird von Ludwig Hohlwein in Varianten bei vielen sportbetonten Motiven eingesetzt und ist ohne jede Andeutung einer räumlichen Form völlig flächig wiedergegeben. Dieses Motiv zeige, so die Kunsthistorikerin Ragna Jäckle in ihrer brillanten Hohlwein-Monographie, wie sehr der Gestalter mit seinen Ideen auch den Puls der zeitgenössischen Kunstentwicklung berührte: In ganz ähnlicher Aufmachung finden solche flächigen Karomuster auch in Gemälden des Spätimpressionismus und in Picassos erste Collagen Eingang.
Auch dies war Teil des Erfolgskonzepts des frühen Hohlwein, das in den vorliegenden Plakaten so gut abzulesen ist, und das Jäckle in folgenden Kernthesen subsummiert: „Konsequenz in der Behandlung des Werbeplakats als ein Kunstwerk und in der Entwicklung seiner individuellen Künstler-Handschrift, Prägnanz in der Ausarbeitung der Figuren und Szenen, um das Zielpublikum zu erreichen.“
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