
Highlights der September-Auktion (IV): Skandalöses von Leo Putz
Kunsthistorisch hochinteressant ist eine Gouache des in Südtirol geborenen Malers Leo Putz (1869 – 1940), die bei der Graphik angeboten wird. Entstanden ist sie im Jahr 1905.
Paris, München und die Scholle
Putz, der zunächst in München und Paris Malerei studierte, hatte sich in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts auf dem Münchner Kunstmarkt bereits gut etabliert. Er war der Secession beigetreten, hatte mit Gleichgesinnten die Künstlervereinigung „Die Scholle“ gegründet und sich, in Anlehnung an Franz von Stucks symbolistische, erotisch aufgeladene Frauenfiguren, weitgehend auf derartige, äußerst gefragte Aktdarstellungen spezialisiert.
Hürde für Aktmaler: die “Lex Heinze”
Eine gesetzliche Neuregelung allerdings machte es ab 1901 schwierig, eine solche Spezialisierung weiter zu verfolgen: die sogenannte „Lex Heinze“. Sie verlangte im Umgang der Geschlechter miteinander, vor allem aber auch bei der Darstellung von Geschlechtlichem in der Kunst, höchste Zurückhaltung.
Künstlerisch oder erotisch?
Da es, angefangen bei der Antike, in der Kunstgeschichte jedoch bereits unzählige Darstellungen nackter Frauen und Männer gab, die man nicht plötzlich aus Museen und Sammlungen verbannen wollte, sah die praktische Regelung für Künstler, grob gesagt, so aus: Erfolgte die Abbildung beispielsweise eines nackten weiblichen Körpers aus rein formalen, künstlerischen Interessen, oder als Umsetzung eines klassischen mythologischen Motivs war sie weiterhin gestattet. Erzeugte sie jedoch auch nur ansatzweise die Assoziation einer erotischen Handlung, war sie verboten. Maler wie Putz, die zuvor mit Aktbildern sehr erfolgreich gewesen waren, konnten sich unter dem Deckmäntelchen des reinen Studiums von Körperformen also ihr Publikum und ihre Marktposition erhalten.
Im Zentrum des Skandals
1905 allerdings kam es wegen eines Gemäldes von Leo Putz zum Skandal: Unter dem Vorwand eines Rückgriffs auf die römische Geschichte zeigte Putz in seinem Gemälde „Bachanal“ völlig offene sexuelle Handlungen zwischen nackten Frauen und mit Kostümen wilder Tiere verkleideter Männer. Der Maler aber stellte sich zeitlebens eher als missverstandenes Opfer einer verleumderischen Presse dar denn als gezielten Provokateur.
Leo Putz und die gezielte Provokation
Doch im Katalog „Leo Putz – Frauenbilder“ zu einer Ausstellung 2010 in Innsbruck arbeiteten die Autoren heraus, dass Putz auf diesen Skandal wohl sehr bewusst zusteuerte. Bereits ab 1904 und verstärkt ab 1905 legte er Arbeiten vor, die mit den Regularien des „Lex Heinze“ eigentlich nicht mehr in Einklang zu bringen waren. Dazu gehört auch die bei SCHEUBLEIN angebotene Gouache: Sie zeigt weder eine Körperstudie eines Aktmodells im Atelier noch behilft sie sich eines mythologischen Bezuges, um den Anschein des Sittlichen zu wahren.
Unverhohlene Erotik
Vielmehr öffnet die „Tänzerin“ mit herausforderndem Blick ihren Mantel und zeigt sich dem Betrachter nur halb bekleidet, entweder, weil sie für ihren Auftritt noch nicht fertig angezogen ist, oder aber, weil sie in einem versteckten Etablissement arbeitet, das den Regelungen des „Lex Heinze“ ebenfalls ganz und gar nicht entspricht. Auf alle Fälle hat Leo Putz die rein erotische Intention seiner Darstellung hier auch nicht ansatzweise kaschiert – ein Vorgehen, das im „Bachanal“ gipfelte. Auch die vorliegende Gouache wirkt provokant – bis heute.
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